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Capitel IV.
ihm nicht sowohl darum, eine gewisse Zeit lang
über einen bestimmten Werthbetrag zu verfügen, als
den an Kapital fehlt, sondern nur dem Umstande, dass es ihm an
Kasse fehlt, resp. dass er die Waaren, die er auf Kredit gekauft
hat, bis dato noch nicht an den Mann zu bringen vermochte.
Vielleicht in Folge einer Absatzstockung oder auch weil der Ort,
wo er sie auf den Markt bringt, ein anderer ist, als wo er sie
kaufte, und daher zwischen dem Ankauf und Verkauf von Waaren
nothwendigerweise eine gewisse, längere oder kürzere, Zeit ver
streicht. Ein Kaufmann z. B. in Calcutta habe Waaren gekauft,
um sie in London wieder zu verkaufen. Er ersucht seinen Agenten,
einen Banquier, in London um ein „Gefälligkeitsaccept“, durch
dessen Diskontirung in Calcutta er in den Besitz von Kasse ge
langt, d. h. in die Lage versetzt wird, seine Accepte einzulösen,
bevor er noch seine Waare in London verkauft hat. Anders da
gegen liegt die Sache bei den sog. „Reitwechseln.“ Diese
verdanken ihren Ursprung nicht einem blosen, momentanen, Man
gel an Kasse sondern einem Mangel an Kapital. Der Reit
wechsel soll dem betreffenden Kaufmann überhaupt die nöthigon
Mittel zum Kaufen verschaffen, nicht ihm blos die Ausführung von
Zahlungen ermöglichen, bevor sein Kapital flüssig geworden. In-
dess ist ja die Diskontirung von Reitwechseln kein normales
Bankgeschäft, sondern vielmehr ein Missbrauch, gegen den die
Banken bekanntlich auch auf der Hut zu sein pflegen, da sie
dadurch, ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen, zum stillen
Theilhaher von Spekulationen gemacht werden, bei denen das
ganze vorgeschossene Kapital verloren gehen kann. Die Banken
können einen derartigen Verlust um so weniger riskiren, als sie
— im Gegensatz zu einem einfachen Geldverleiher — ja wesent
lich mit fremdem, ihnen nur anvertrautem, Kapital das Disconto-
geschäft betreiben.