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Dennoch ist derselbe nunmehr Gesetz und fordert seine Geltung
und Ausführung. Hierüber s. n. zu § 4 Näheres.
§ 3. Der Schadenersatz (§§ 1 und 2) ist zu leisten:
1. im Falle der Tödtung durch Ersatz der Kosten einer ver
suchten Heilung und der Beerdigung, sowie des Vermögens
nachtheiles, welchen der Getödtete während der Krankheit
durch Erwerbsunfähigkeit oder Verminderung der Erwerbs
fähigkeit erlitten hat. War der Getödtete zur Zeit seines
Todes vermöge Gesetzes verpflichtet, einem Anderen Unter
halt zu gewähren, so kann dieser insoweit Ersatz fordern,
als ihm in Folge des Todesfalles der Unterhalt entzogen
worden ist;
2. im Falle einer Körperverletzung durch Ersatz der Heilungs
kosten und des Vermögensnachtheiles, welchen der Verletzte
durch eine in Folge der Verletzung eingetretene zeitweise
oder dauernde Erwerbsunfähigkeit erleidet.
1. Der Regierungs-Entwurf hat in diesem § 3 des Ge
setzes nur Redactions-Aenderungen erfahren, im wesentlichen
Inhalte stimmen beide Fassungen überein. Zum § 3 des
Entw. war bemerkt:
„Bei der Formulirung dieses Paragraphen ist abweichend
von dem Dresdener Entwurf eines Öbligationenrechts Art.
1007. ff. und dem bürgerlichen Gesetzbuche für das Königreich
Sachsen §§ 1489 ff. jede Kasuistik um so mehr vermieden,
als die im § 5. des Entwurfs (§ 6. des Gesetzes) dem Richter
zugewiesene freiere Stellung in Beurtheilung der Thatsachen
und Feststellung der Höhe des Schadens mit einer solchen
Spezialisirung im Widerspruch stehen würde. — Als berechtigt
zur Erhebung eines Anspruchs auf Ersatz des gesammten Ber-
mögensverlnstes sind nur diejenigen Personen bezeichnet, welchen
von dem durch einen Unfall Getödtete« kraft des Gesetzes
Unterhalt zu gewähren war. In Uebereinstimmung mit dem
Dresdener Entwürfe kann eine Veranlassung, über diese Grenzen
hinauszugehen, nicht anerkannt werden". (Mot.)
2. Das Gesetz giebt hier an, was es den Haftpflichtigen
behufs des Schadensersatzes aufgelegt wissen will, definirt hier
mit zugleich den in §§ 1. 2. gebrauchten Ausdruck „Schaden"
und bezeichnet den Umfang der sofortigen Haftbarkeit der
Betriebs-Unternehmer für ihre Angestellten rc. Das Haupt
moment ist in der Vertretung der Bevollmächtigten rc. durch
ihre Principale bei der Bestimmung des nach § 3. zn ersetzen
den Schadens zu suchen. Neben dieser Vertretung kommen
dann noch die Landesgesetze zur Anwendung nach Maßgabe des
§ 9 des Haftpflichtgesetzes für den Ersatz eines höheren
Schadens ans Grund eigener oder der Verschuldung einer an
deren Person (s. u. zn § 9.)
3. Der Ausdruck: „einer versuchten Heilung" ist nicht
so zu nehmen, daß der Aufwand für nur eine Heilung zu er
setzen wäre. Der bestimmte Artikel „der" (versuchten Heilung)
oder noch besser die Fassung: „der Heilungsversuche" wäre der
Klarheit und Bestimmtheit des Gesetzes angemessener gewesen.
Daß bei den Heilungs-Versuchen nach den Vorschriften der
berufenen Heilungs-Wissenschaft und nicht nach der Willkühr
verschwenderischer Krankenpflege und Wirthschaft zu verfahren ist,
versteht sich von selbst. So würden z. B. unnöthige Wein
bäder anstatt Wasserbäder a la König von Westfalen vom
Haftpflichtigen nicht zu ersetzen sein. — In gleicher Weise ist
aller dem Stande des Getödtete« nicht entsprechender Luxus
der Beerdigung*) von der Haftpflicht ausgeschlossen, wie dies
*) Ob und in welchem Maße z. B. Leichen-Transportkosten der
Eisenbahnen rc. zu ersetzen, bleibt dem richterlichen Ermessen überlassen.
Die Beerdigungskosten scheinen uns wenig Anspruch auf Ersatz zu
haben, denn sterben müssen ja alle Menschen einmal und deshalb auch
— sich beerdigen lassen.
bei dem nach § 6 des Gesetzes entscheidenden „richterlichen Er
messen", das natürlich ein „vernünftiges" sein muß, selbstver
ständlich ist.
4. Die Frage, Wem der Schadensersatz zu leisten, ins
besondere Wer zur Anstellung der bezüglichen Klage berechtigt
sei, kann nach der Fassung des Gesetzes nicht zweifelhaft sein.
In § 1 wie § 2 lautet die Haftpflicht ganz allgemein
auf den „entstandenen Schaden". Der Schaden ist also
zu ersetzen, wo und Wem irgend derselbe erwachsen ist, so weit
nicht §§ 3 und 4 nähere Bestimmungen hierüber enthalten.
Wer die Kosten der Hkllnng und Beerdigung getragen hat
und seinen bezüglichen Schaden beweisen kann, hat Anspruch
auf Ersatz und ist klageberechtigt schon nach allgemeinen Rechts
regeln. Kranken- und Begräbniß-Kassen und ähnliche Anstal
ten vertreten den Beschädigten, soweit ihre Leistung nicht nach
§ 4 eben selbst den Schadensersatz ausmacht.
5. Schwieriger zu entscheiden ist die Frage des Ersatzes
des verlorenen Unterhalts au die gegen den Getödtete« ali-
mcutationsberechtigten Personen. Es ist in dieser Beziehung
feststehend:
a. Unterhalt, welcher nach Verträgen zn gewähren,
namentlich die mit Besitz- und Eigenthums-Verhältnissen ver
bundenen dinglichen Anrechte auf Altentheile u. s. w., fallen
nicht unter § 3 Nr. 1. Denn ausdrücklich ist hier der Ersatz
auf die gesetzlich angeordnete, d. i. die Noth- nnd Zwangs-
Alimentation beschränkt.
b. Die gesetzliche Alimentation ist nach den Lermögens-
und Standes-Verhältnissen des Getödtete« zu berechnen, und
nur zu gewähren in dem Falle gesetzlicher Berechtigung,
deren erste Voraussetzung nach allen ältern und neueren Civil-
rechten der Stand der Bedürftigkeit, der eigenen Vermö
genslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit ist. Auf dieser Voraus
setzung beruht die gesetzliche Pflicht des Mannes und Vaters
zum Unterhalt der Frau und der Kinder allgemein und unbe
dingt, wogegen die Alimentationspflicht gegen andere Bluts
verwandte das gesetzliche Erbrecht zur Grundlage hat. In
Deutschland enthalten die Gesetze über die Armenpflege die
hier in Rücksicht kommenden Bestimmungen.
c. Außer Verwandten haben gesetzlichen Anspruch aus
Unterhalt auch Personen, welche durch fremdesDelict arbeits-
und erwerbsunfähig geworden sind. Ob auch diesen nach § 3
des Haftpflichtgesetzes der Unterhalt zu gewähren im Falle des
Verlustes ihres Alimentengebers, ist zweifelhaft.*)
d. Die Unterhaltspflicht muß schon „zur Zeit des
Todes" des Verpflichteten bestanden haben; später etwa durch
nachfolgende Verarmung entstehende Alimentations-Ansprüche
von Ascendente«, Descendenten rc. fallen nicht unter § 3 Nr.
1 des Haftpflichtgesetzes.
e. Der Ersatz des Unterhalts ist beschränkt auf die Quote,
welche der Unterhaltene thatsächlich bei Lebzeiten des Getödtete«
von diesem bezogen hat. Es kann also z. B. Derjenige, der
nur freie Wohnung von dem Getödteten erhalten hat, auch
nur Ersatz für diesen Theil des Unterhalts fordern. Was znm
Unterhalt überhaupt gehört, bestimmen die Gesetze oder richter
liches Urtheil. Letzteres 1st beschränkt und begrenzt durch die
*) Es läßt sich zwar behaupten, daß auch dieser Anspruch des Un
terhalts auf Gesetz beruht, ein gesetzlicher ist, insofern das Gesetz ihn zu
spricht; es kommt aber hier immer noch das strafrichterliche Urtheil hinzu,
um dem Anspruch seine rechtliche Basis zu geben. Wird z. B. der Körper
verletzer nicht verurtheilt, so statuirt das (preußische) Recht allerdings die
Verfolgung des Schadensersatzes gegen ihn auch im Wege des Civil-
processes unabhängig vom Strafproceß; aber es bedarf eben auch im
Civilproceß erst eines richterlichen Urtheils, um den gesetzlichen Anspruch
liquide zu stellen.