Full text: Mittheilungen aus der Geschäfts- und Sterblichkeits-Statistik der Lebensversicherungsbank für Deutschland zu Gotha für die fünfzig Jahre von 1829 - 1878

I. Theil. 
Statistik der Anträge, Ablehnungen, 
Aufnahmen und Abgänge. 
I. Kapitel. 
Anmeldungen, Abweisungen und perfect gewordene 
Versicherungen. 
Unsere Tab. 1 enthält eine Uebersicht der quantitativen 
Leistungen der Bank in der Versicherungs-Gewinnung und bietet 
zugleich die Möglichkeit, die diesem Zweige gewidmete Thätigkeit 
von einem bestimmten Gesichtspunkte aus auch auf ihre Qualität 
zu prüfen. 
Spalte i zeigt die Zahl der Anmeldungen. Sie ent 
hält das quantitative Resultat der Thätigkeit der Bank und 
ihrer Organe in der Anbietung ihrer Leistungen. Eine steigende 
Zahl von Anmeldungen deutet auf wachsendes Vertrauen zur 
Anstalt, auf zunehmendes Geschick und zunehmenden Fleiss 
der Vermittler, in gewissem Maase auch auf Vermehrung der 
Zahl, bessere Auswahl und bessere Verkeilung der letzteren; 
sie kann auch die Folge reichlicherer Vergütung der Leistungen 
der letzteren sein. Endlich wird auf den Zuwachs der An 
meldungen die allgemeinere Verbreitung des Verständnisses für 
die Segnungen der Lebensversicherung und werden auf den 
selben die allgemeinen Zeitverhältnisse — friedliche oder kriege 
rische oder doch unruhige Zeiten, Zeiten des wirtschaftlichen 
Aufschwunges, des Stillstandes oder Rückganges — ein wirken. 
Betrachtet man die Bewegung der Anmeldungen bei einer 
einzelnen Anstalt für eine längere Jahren reihe, so ist es klar, 
dass der Einfluss jedes einzelnen jener Momente, selbst so lange 
sie concurrenzlos ist, nicht mit vollkommener Deutlichkeit an 
den Resultaten wahr genommen werden kann. Wenn in einem 
Jahre, in welchem der Sinn der Menschen durch öffentliche 
Unruhen, durch grosse welterschütternde Ereignisse von der 
Sorge für die Zukunft der Familie abgelenkt wird, zufällig von 
dieser einen Anstalt kurz vorher getroffene glückliche Aende- 
rungen in der Organisation des Geschäftsbetriebes, eine kurz vor 
her eingeführte höhere Vergütung für Vermittlerleistungen u.s. w. 
ihre Wirksamkeit entfalten, so kann recht wohl der Einfluss 
der »schlechten Zeiten« neutralisirt werden. Bei Betrachtung 
einer grösseren Zahl von Anstalten wird man insbesondere den 
Einfluss allgemein wirkender Momente in der Bewegung der 
Anmeldungen viel deutlicher erkennen. 
Im Anfänge, als die Gothaer Bank in ihrem Geschäfts 
gebiete fast concurrenzlos war, sind wesentliche Veränderungen 
in der Zahl der Anmeldungen immerhin doch mit einiger 
Sicherheit auf bestimmte, noch zu ermittelnde, Einflüsse zurück 
zuführen. Die grosse Zahl der Anmeldungen, welche für 1829 
verzeichnet ist, kommt auf Rechnung der vorhergegangenen 
Sammelperiode, der Rückschlag im Jahre 1830 ist theils Folge 
des Umstandes, dass eben dieses Jahr nicht die Früchte einer 
vorhergegangenen solchen Periode, sondern nur diejenigen seiner 
eigenen Saat zu ernten hatte, theils die Folge politischer Un 
ruhen, welche in diesem Jahre die Bevölkerung des ganzen 
Bankgebietes ergriffen hatten. Der starke Zuwachs des folgen 
den Jahres erklärt sich theils daraus, dass jene Aufregung sich 
zu legen angefangen hatte, theils aus der allgemeinen Sorge, 
welche das erstmalige Auftreten der Cholera auf deutschem 
Boden bereitete, theils endlich aus dem in diesem Jahre 
erfolgten Anschlüsse einer in Giessen begründeten »Lebens 
versicherungsanstalt für Mitteldeutschland«, welche die bereits 
bei ihr eingegangenen Versicherungsanträge damals der Gothaer 
Bank überwies. 
Später zeigen nur ganz allgemein und tief wirkende 
Momente ihren Einfluss auf die Zahl der Anmeldungen bei der 
einzelnen Anstalt unverkennbar. So bemerken wir 1848, 1849 
und 1854, dann wieder 1866, 1870 und 1871 bedeutende 
Rückschläge, 1872 einen erheblichen, erst 1876 wieder er 
reichten Aufschwung. Die lange und tief einschneidende wirth- 
schaftliche Krisis der letzten Jahre macht sich dadurch bemerk 
bar, dass der Zuwachs der Anmeldungen, wenn er auch von 
Jahr zu Jahr steigt, doch nicht in dem Maase steigt, wie es 
gewisse, gerade in diese Zeit fallende Aenderungen in der 
Organisation des auswärtigen Dienstes erwarten Hessen. 
Deutlich scheint auch der Einfluss der zweimal ein 
getretenen Erhöhung der Vergütungen, welche die Agenten für 
den Abschluss neuer Versicherungen zu beziehen hatten, 
erkennbar zu sein. Wenigstens ist der Zuwachs der An 
meldungen erst im Jahre 1864, wo die erste, und dann im 
Jahre 1867, wo die zweite namhafte Erhöhung in Kraft trat, 
ganz erheblich gestiegen. Beide Erhöhungen waren gleich; die 
zweite hatte keine so beträchtliche Steigerung des Zuwachses 
zur Folge, als die erste. Man sieht also, dass der Einfluss 
derartiger, wenn auch an sich wirksamer, Momente bei einer 
einzelnen Anstalt leicht durch den Einfluss anderer Momente 
verwischt wird. 
Im Ganzen schreitet die Zahl der Anmeldungen von Jahr 
zehnt zu Jahrzehnt rüstig vorwärts, in den ersten beiden Jahr 
zehnten mäsig, im dritten schon stärker, vom vierten ab 
beträchtlich. Das Wachsthum vielseitigen Angebotes hemmt 
nicht, sondern befördert eher die Schritte der ältesten Anstalt, 
welche zwar wählerisch ist in den Mitteln der Werbung, aber 
doch dem belebenden Einflüsse der Concurrenz sich nicht ver- 
schliesst und die altgewohnte Rührigkeit steigert, anstatt sich 
bei den bisher erzielten Resultaten zu begnügen. 
Sie bringt durch ihre gesteigerte Thätigkeit Niemandem 
Gewinn, als den neugewonnenen wie den alten Theilnehmern ; 
aber die gemeinnützigen Erfolge regen zu immer neuen An 
strengungen an und ein gewiss gerechtfertigter Ehrgeiz treibt 
dazu, die alte angesehene Stellung zu behaupten.
	        
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