36 2. Abschnitt. Grundlegung u. Ausbau der Sozial- u. Wirtschaftspolitik.
besteht. Es ist das ein wertvoller Fingerzeig für die Kleinhandelsagitation. Auch
sie hat nur Aussicht auf Erfolg in einer den Handwerkskammern analogen, die
doppelseitige Erziehungskampagne sichernden Organisation, welche die kaufmän
nischen und Schutzvereine zu größeren Bezirksverbänden vereinigt.
Submissionskonkurrenz. Eine der Hauptbeschwerden des Kleingewerbes
bildet naturgemäß das auf den großen Verkehr und Betrieb zugeschilittene Sub-
missio ns system. Es stellt nichts anderes dar als die Ausbeutung der
Unfähigkeit des kleinen Mannes, kaufmännisch zu rechnen und zu kalkulieren unb
seine Preise nach seinen Selbstkosten unbekümmert um den Konkurrenten zu stellen.
Seit Ende der 70er Jahre hören, obgleich an der Verbesserung des Verfahrens fort
während gearbeitet wird, die Klagen über seine Schattenseiten und Uebelstände
nicht mehr auf und darin dürfte sich noch längere Zeit nichts ändern. Das Submissions
wesen ist — neben dem Fortbildungsschulwesen — der Prüfstein dafür, ob eine
Regierung tatsächlich von dem Ernst der Sozial- und Mittelstandspolitik durchdrungen
ist: denn hier hat sie selbst an der stetigen Kleinarbeit mit Hand anzulegen.
b) Gewerbliche und kaufmännische Fortbildung.
Zweifellos habender deutsche Kaufmann und Techniker dem tatkräftigen Ein
greifen der deutschen Bundesstaaten in der technischen und kommerziellen Fortbildung
den Vorsprung zu verdanken, den sie vor den ausländischen Konkurrenten voraus
haben. Es ist dies eines der wenigen Gebiete, wo dem staatlichen Eingreifen und
Zwang die Berechtigung und Zweckmäßigkeit von keiner Seite mehr bestritten wird.
Gewerbliche Fortbildungsschule. Mitte des vorigen Jahrhunderts
machte sich in verschiedenen deutschen Staaten lebhaft das Bedürfnis nach einem
Ausbau der Fortbildung der schulentlassenen Jugend geltend. Eine Verstärkung
gewannen diese Bemühungen um Ausbildung des Fortbildungsschulwesens durch die
neueren sozialpolitischen Bestrebungen.
Neben dem Ausbau des gewerblichen und kaufmännischen Fortbildungsschul
wesens wurde auch in den 80er Jahren die Errichtung ländlicher Lesevereine und
Ortsbibliotheken in die Wege geleitet.
Der Schulzwang ist ein Mittel, um in den Meistern das heute noch vielfach
zu vermissende Pflichtbewußtsein und Verantwortlichkeitsgefühl zu wecken. Ebenso
wie die Arbeiterversicherung zu einer sozialpolitischen Schulung für die Unternehmer
geworden ist, so würde die Einführung des Schulzwangs eine erzieherische Rück
wirkung auf das soziale Empfinden der Lehrmeister ausüben. Das soziale Empfin
den zu stärken muß eine Hauptaufgabe der korporativen Organisation, d. h. der
Innungen und Handwerkskammern, werden. Das ist die richtige Verbindung zwischen
der staatlichen Organisation und der Selbsthilfe. Wie auf allen anderen Gebieten,
gibt es auch im Hinblick auf die Lehrlingsausbildung bei der Vorfrage, ob Staats
oder Selbsthilfe einzutreten habe, kein „entweder — oder", sondern die richtige
Lösung liegt in der wechselseitigen Ergänzung.
Kaufmännische Fortbildungsschule. Im Jahr 1886 leitete der
Reichskanzler Erhebungen über die Einführung des obligatorischen kaufmännischen