Full text: Der gesetzgeberische Ausbau des Deutschen Reiches und seine Wirtschaftlichkeitspolitik

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2. Abschnitt. Grundlegung u. Ausbau der Sozial- u. Wirtschaftspolitik. 
bilden einen Teil des Agrarproblems. Als dasselbe in den achtziger Jahren an Be 
deutung gewann, schien es geeignet, unserer Wirtschaftspolitik, sowie der Gruppierung 
der Neichstagsparteien die neuen Richt- und Zielpunkte zu geben, die man vergeblich 
von der Sozialethik erwartet hatte. 
Die agrarischen Bestrebungen betätigten sich zunächst in der Bekämpfung der Gold 
währung, dann der Zucker- und Branntweinsteuer, ferner der Margarinefabrikation, 
schließlich im Kornzoll (1885) und in den Handelsverträgen mit Argentinien, Rumänien 
und anderen Staaten, in der Aufhebung des Identitätsnachweises bei der Wiederaus 
fuhr von Getreide und im Antrag Kanitz auf Monopolisierung des Getreidehandels. 
Wie in der Mittelstands- und Arbeiterbewegung läßt sich auch m der Agrar 
frage der Meiuuugsstreit auf deu Versuch, die manuigfaltigsteu Bedränguisse aus 
eine Formel zu bringen, sowie auf die pessimistische Auffassung der Bedrängnis 
ursachen zurückführen. Gegenüber beit pessimistisch-radikalen Forderungen standen 
die Handelskammern während all dieser Jahre auf dem Standpunkt, daß ein Zoll 
krieg unter allen Umständen zu vermeiden sei. Sie machten denselben besonders auch 
in den Jahren 1893, 1898 und 1900, als von agrarischer Seite auf einen solchen 
Zollkrieg mit den Vereinigten Staaten hingearbeitet wurde, in umfangreichen Denk 
schriften geltend. 
Seit Ende der 90er Jahre hat sich das Ziel der agrarischen Bewegung mehr 
und mehr verschoben. Heute hat sie nicht nur deu Schutz der Landwirtschaft zum 
Untergrund. Um was es sich beim Kornzoll, neben dem Schutz der Landwirtschaft, 
weiter noch handelt, ersieht man daraus, daß man heute nicht, nachdem er auf viele 
Jahre hin feststeht, die Agrarfrage etwa bis 1913 zurücklegen kann. Vielmehr wirken 
die politischen Nebenzwecke, zu deren Drapierung der Kornzoll diente, weiter. Der 
Koruzoll ist nicht mehr Selbstzweck, sondern das Mittel, um die Regierung zu 
weiteren Beschränkungen des Verkehrs zu drängen und eine Interessengemeinschaft 
verschiedener Reichstagsparteien ausrecht zu erhalten. 
In den letzten Jahren verlegte der Bund der Landwirte seine Preß-, Vereins-, 
Versammlungs- und Hausagitation mehr auf den Boden des süddeutschen Kleinbesitzes. 
Von seiner Agitationsweise gab Staatsminister Dr. v. Pischek Mitte 1903 die 
Charakterisierung, wie den Agrariern „der Appetit während des Essens gewachsen" 
sei und anderseits die aufgestellten „Geschäftsführer naturgemäß geneigt feien, ihre 
Nützlichkeit und Notwendigkeit durch fortgesetzte Steigerung und agitatorische Ver 
tretung der aufgestellten Forderungen zu dokumentieren". 
Die deutsche Nation steht heute vor der Zukunftsfrage: sollen für ihre 
innere und äußere Politik, nicht etwa nur für den Zolltarif, sondern auch für die 
Parteigruppierung, für die gesamte Gesetzgebung und Verwaltung, für alle kulturellen 
Fragen, für den stetigen Fortschritt des Wirtfchafts- und Kulturlebens die An 
schauungen und Interessen: 1. sämtlicher sozialen Schichten und Berufsstünde 
überhaupt, sodann 2. die der Landwirte (genauer ihres großkapitalistischen Teils, 
nämlich der Großgrundbesitzer) oder der städtisch-industriellen Bevölkerung (genauer 
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ein Industriestaat, und kann die fortschreitende Industrialisierung und Kommerziali 
sierung des Reiches durch Regierungsmaßregeln aufgehalten werden? Für die Lösung 
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einen allmählichen Entwicklungsprozeß dar, in dem entschieden wird, welche Interessen
	        
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