98 Sechstes Kapitel. Die Entwicklung der römischen Weltwirtschaft.
wichtigsten Aufgaben der Pazifizierung im Gebiete des Mittel
meeres waren so am Ende der Republik bereits vollendet.
Die meisten dieser Feldzüge, welche leicht erkennbare wirtschaft
liche Vorteile im Gefolge hatten, sind Musterbeispiele für die Theorie,
die den Krieg unter die Erwerbsarten rechnete (Aristoteles, Politik
ed. Susem. I, 3,8). Dieser Auffassung, der viele Historiker huldigten
(Dionys v. Halikarnaß VI, 36), entsprach auf dem Gebiete der
Privatwirtschaft die Koordinierung von Handel, Raub, Fischerei
und Jagd als Erwerbsarten (Aristoteles, Politik, ed. Susem. I,
3, 5). Da das Beutemachen in den Kriegen der Antike Regel war,
mußte der Kriegsdienst mehr als ein Recht denn als eine Pflicht
erscheinen. Während ursprünglich die in den Krieg ziehenden Klassen
mit Gewinnbeteiligung arbeiteten, wobei allmählich gewisse Klassen
sich den Hauptgewinn aneigneten, hat man späterhin Kriegsprole
tarier angeworben, das Unternehmen kapitalistisch organisiert und
die Beute den Soldaten durch Tantiemen zugebilligt, während der
Hauptgewinn dem Staate zufiel.
Da das Beutemachen eine überaus wichtige Angelegenheit war,
wurde es systematisch geregelt (Polybius X, 2). Im allgemeinen
galt der Grundsatz, daß das staatliche Eigentum an den siegenden
Staat fiel (Plutarch, Marcellus 16), das Privateigentum an
die Soldaten oder die Bürger überhaupt. Die Autoren erzählen
oft sehr breit von den Streitigkeiten, die mit der Beuteverteilung
zusammengehangen haben sollen (Livius V, 20 f.). Während zu
Beginn der Republik der Kriegserwerb vorwiegend durch die Zen
tralstelle verteilt wurde, wurden späterhin die einzelnen Armeen
in vielem autonom, was auch im Interesse der Feldherrn lag, die
ihre Armeen zu politischen Zwecken benötigten (Plutarch, Cäsar 17).
Es scheint in Rom durchschnittlich jedes zweite Jahr zu einer Ver
teilung von Beute gekommen zu sein, so daß der Kriegserwerb für
einen Teil der Bevölkerung sicher eine regelmäßige Einnahme dar
stellte — wurde doch der Janustempel bis Augustus (Livius I, 19)
nur einmal geschlossen (Florus IV, 12). Zuweilen wurden nur die
siegreichen Krieger mit Beute bedacht, die manchmal den halben
Jahressold und darüber betrug (Livius XLV, 45) zuweilen aber
auch das Volk (Appian, Bürgerkrieg II, 102). Wenn Kriege in
beutearmen Gegenden geführt wurden, so z. B. in Jllyrien, mußte
sich die Regierung dazu verstehen, auch den Siegern in diesen Kämp
fen ein Beuteäquivalent auszuzahlen, so daß eine Art Minimal
beuteertrag im Falle des Sieges für die Soldaten garantiert wurde.