Full text: Antike Wirtschaftsgeschichte

106 Sechstes Kapitel. Die Entwicklung der römischen Weltwirtschaft. 
die Kaiser nicht zu beseitigen vermochten (Sueton, Augustus 42). 
Die Ädilen, welche zunächst die Marktpolizei zu besorgen hatten, 
waren auch dazu bestimmt, für billiges Getreide zu sorgen, was 
in der Kaiserzeit eigenen Beamten übertragen wurde. In den 
Provinzen fehlten analoge Vorkehrungen, und es bedurfte manch 
mal der Intervention der römischen Beamten, damit nur das von 
den Händlern aufgespeicherte Getreide zu erschwinglichen Preisen 
verkauft wurde (Cicero, An Attikus V, 21). Ein Teil des Getreides, 
das zu billigen Preisen oder überhaupt umsonst nach Rom kam, 
wurde entweder der Naturalsteuer der Provinzen entnommen oder 
in den Provinzen angekauft, wo man es bedeutend billiger als in 
Italien erhielt. Das Resultat war, daß alle jene Bauern, die Ge 
treide für den römischen Markt produzierten, wirtschaftlich ruiniert 
wurden; dagegen mögen jene, die für die Lokalmärkte des Binnen 
landes, die weit genug von Rom entfernt waren, Getreide lieferten, 
wenig betroffen worden sein. Nur die Bauern, welche nicht für den 
Verkauf, sondern für den eigenen Bedarf Getreide produzierten, wur 
den überhaupt nicht von den niedrigen Getreidepreisen berührt, so 
weit sie es nicht bequemer fanden, nach Rom zu gehen und sich dort 
das Getreide zu holen. Das billige Getreide erwies sich für Italien 
als Danaergeschenk, indem es die wirtschaftliche und soziale Glie 
derung überaus unglücklich gestaltete; die alte Ordnung wurde 
prinzipiell beibehalten, obgleich neue Bedingungen geschaffen waren. 
Es hätte besonderer Vorkehrungen bedurft, um ohne Schaden die 
Vorteile der Getreidezusuhr zu verteilen. Statt daß jedem eine 
Art Existenzminimum garantiert worden wäre, das die Unab 
hängigkeit der Massen erhöht hätte, dienten die Getreidespenden, 
die jederzeit inhibiert werden konnten, dazu, die Massen in Ab 
hängigkeit zu halten (Plato, Kato d. I 26). Man nutzte die Ge 
treidespenden ebenso wie die Landverteilungen zu Ende der Republik 
in der rücksichtslosesten Weise aus (Plutarch, Kato d. I. 31). Diese 
Getreidepolitik verschärfte noch die durch die Agrarverhältnisse 
geschaffenen Schwierigkeiten (S. 109). Ein großer Teil der Bevöl 
kerung Italiens war verarmt, zum Teil vernichtet, überall ging 
man zwar mit Koloniengründungen vor, ohne aber dauernd Ab 
hilfe schassen zu können. Die zunehmende Machtfülle der Beamten 
bewirkte nicht nur, daß die Provinzen schlecht behandelt wurden, 
sondern auch vielfach die italischen Bundesgenossen und die latinischen 
Kolonien. Das zur Assignation zur Verfügung stehende Land war 
in Italien schließlich aufgebraucht, und an die überseeische Koloni-
	        
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