4 Einleitung. Entwicklung der antiken Wirtschaftsgeschichte.
beim Engländer aus der traditionellen politischen Schulung und
dem gesunden Menschenverstand, den diese Nation für wirtschaft
liche Fragen immer gehabt hat, und den wir z. B. bei Hume,
Ferguson und Smith beobachten können, wenn sie antike Ver
hältnisse besprechen. Dies steigende Interesse für die sozialen und
politischen Verhältnisse des Altertums wurde in glücklichster Weise
durch die Philologie ergänzt.
Als die Philologie eine Spezialwissenschaft geworden war, be
schäftigte sie sich nur noch in beschränktem Maße mit wirtschaft
lichen Problemen, wenn auch umfangreiche Stoffsammlungen aller
Art angelegt wurden, die viel Schätzenswertes zutage förderten.
Auch finden wir zu Anfang des 18. Jahrhunderts gelegentlich
Spezialuntersuchungen auf unserem Gebiet, aber es fehlte ein ein
heitlicher Zug. Im Mittelalter war das, was man aus dem Alter
tum gerettet hatte, um weniges vermehrt, der Inbegriff alles
Wissens überhaupt gewesen. Tie Renaissance wollte sich nicht mit
den paar Brocken begnügen, sondern die Antike als Ganzes wieder
beleben, um den Inbegriff aller Schönheit und Weisheit jedem
bedeutenden Geist zugänglich zu machen. Doch der in jener Zeit
einsetzende Fortschritt der Wissenschaften, besonders der Natur
wissenschaften, zwang bald die Menschen, auf jenes Kulturideal zu
verzichten, das so viele hervorragende Männer als das ihrige er
klärt hatten: Alle Anlagen, die man besitzt, ausbilden und an
allem, was der Menschengeist erringt, Anteil haben. Welch böse
Folgen die nun sich entwickelnde Spezialisierung mit der Zeit für
die Philologie hatte, haben wir erwähnt. In der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts entstand für die Philologie ein neues Ideal,
das die Entwicklung der antiken Wirtschaftsgeschichte entscheidend
beeinflußte. War es den Alten möglich gewesen, ihre Zeit zu um
spannen, warum sollte es dem neuen Menschen, der zwar seine
Zeit nicht mehr umfassen konnte, nicht wenigstens möglich sein,
die Antike in ihrer Totalität zu begreifen? Es war Friedrich August
Wolf, der die Kenntnis der antiken Menschheit als das Ziel
seiner Arbeiten erklärte. Alle Studien, die sich auf antike Ver
hältnisse bezogen, darunter auch die über Wirtschaftsverhältnisse,
sollten in einem System zusammengefaßt werden. Heyne, dem
Wolf viel zu verdanken hatte, zu dem er aber oft auch im Gegen
satz stand, hatte die wirtschaftliche Forschung schon früher viel
stärker als Wolf gefördert. Die Begründung der modernen antiken
Wirtschaftsgeschichte war erst einem Schüler Wolfs vorbehalten: