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ketzerisch seine Gesinnung auch sein mag, sich gegen Marx aufzulehnen
wagen würde: alle Revisionisten, Reformisten, Revolutionisten, die
heute in der sozialistischen Kirche Skandal machen, wollen doch nie
etwas anderes als die Reinheit der Lehre wiederherstellen: sie alle
wollen die besten Marxisten sein, sowie alle christlichen Sektierer die
besten Christen sein wollen.
Stürbe Marx heute erst: er würde von jenen 25 Millionen
Sozialistenherzen wie ein Vater betrauert werden: wie ein Vater, der
seinen Kindern das Leben gab und der seine Kinder an seiner starken
Hand durchs Leben geführt hat.
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Es entsteht nun die Frage: auf was begründet sich diese un
geheuer weitreichende Geltung, die Marx im letzten Menschenalter
sowohl als Theoretiker, wie als sozialistischer Führer gewonnen hat.
Offenbar sind zwei Dinge möglich: entweder ein Wahn hat die
Geister ergriffen. Marx gilt so viel, weil so viele sich täuschen ließen:
wie ein Wunderdoktor in hohem Ansehen bei Millionen Menschen
stehen kann, obgleich er keiner einzigen Krankheit Herr zu werden vermag.
Oder aber Marx hat wirklich Großes geleistet: Großes, das den
Anhängern der sozialistischen Ideale Kraft und Stärke verlieh; Großes,
das fruchtbar für die wissenschaftliche Erkenntnis der Welt geworden ist.
Aufgabe der folgenden Betrachtungen soll es sein, diese Frage für
die beiden Seiten des Marx'schen Lebenswerkes zu beantworten; das
heißt also seine Bedeutung festzustellen: für die soziale Bewegung
unserer Zeit und für die soziale Wissenschaft (wobei unerörtert bleibt,
welche „Bedeutung" für Kultur und Menschheit das eine wie das
andere Betättgungsgebiet haben mag).