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Manier eines Meisters bemächtigen und um sie streiten, als käme es
darauf an, nach welcher „Methode" geschaut wird, während es doch
nur bedeutsam ist, daß Einer Augen zum Sehen, Ohren zum Hören
und einen Mund zum guten Aussprechen hat.
Es ist begreiflich genug, daß die Geschichte der Geisteswissen-
schaften so verläuft und so grundverschieden von der der Naturwissen
schaften sich gestaltet. Denn es sind ja immer neue Objekte, die zu
betrachten sind, immer neue Menschen, die sie anschauen, immer neue
Bedingungen, unter denen die „Erkenntnis" zu Stande kommt. Man
wird doch gewiß nicht sagen wollen, daß die „Geschichtswissenschaft"
von Thucydides zu Tacitus zu Macchiavelli zu Mommsen irgend
welchen „Fortschritt" gemacht habe, daß unser Wissen vom Leben
der Völker (unbedeutende Einzelheiten außer Acht gelassen) in drei
tausend Jahren irgendwie „vermehrt" worden sei. Oder man wird
doch nicht behaupten wollen, daß die Staatslehre seit Aristoteles oder
Montesquieu irgendwie „weiter" gefördert sei. Oder man wird doch
nicht so töricht sein zu glauben, daß unsere Einsicht in den Zu
sammenhang des Wirtschaftslebens tiefer sei als die Pettys oder
Cantillons; man wird vielmehr festzustellen haben, daß alles was
gescheite Merkanülisten gelehrt haben, genau ebenso richtig und ebenso
falsch war als das, was Quesnay und Adam Smith zu ihrer Zeit
als die Wahrheit verkündeten und daß deren Wissen ebenso tief ging
(wenn nicht tiefer) als unseres von heute.
Diese Betrachtungen gewähren uns nun aber erst die Möglich
keit, mit Sicherheit den Wert einer Leistung auf dem Gebiete der
Natur- oder Menschcnwissenschaft zu ermessen; insbesondere auch zu
entscheiden: wie beschaffen die großen schöpferischen Geister in diesen
Wissenschaften sein müssen. Alles was wir bisher erkannt haben,
drängt zu der Annahme, daß große Leistungen in den Natur- und