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steigen, dagegen aber die Getreidepreise fallen. Infolge dieser ins Ge
wicht fallenden Bedeutung des Ackerbaues treten alle anderen Zweige
der Landwirtschaft zurück.
Es ist schon oben dargelegt, aus welchen Gründen die Viehzucht
als Hauptbeschäftigung und als Haupterwerbsquelle der Bevölkerung all-
mählich verschwand und dem Ackerbau Platz machte. Trotzdem aber
behalten bis jetzt die südrussischen Gouvernements im Europäischen
Russland die erste Stelle der Menge des hier gehaltenen Viehes nach,
das aber nicht zu Absatzzwecken, sondern am meisten für die eigene
Wirtschaft als Zugkraft für die Feldarbeiten gehalten wird. Die günstigen
Klimaverhältnisse in den südrussischen Gouvernements machen es mög
lich, das Vieh eine lange Zeit (etwa acht Monate lang) auf dem Weide
land zu halten, wodurch an Stall- und Fütterungsausgaben sehr viel
erspart wird. Als Arbeitskraft wird das Vieh in ziemlich grosser Menge
gezüchtet, aber die Abnahme des Wiesen- und Weidelandes äussert sich
dadurch, dass sich das Vieh entweder der Zahl nach vermindert, oder
eine Viehart durch eine andere ersetzt wird.
Auch der Menge der auf je 100 Dess. kommenden Anzahl der
Tiere nach behalten die neurussischen Gouvernements die erste Stelle
unter allen Gouvernements des Europäischen Russlands.
So kommen auf je 100 Dess. des kulturfähigen Bodens in
Taurien 99
Bessarabien 93
Ekaterinoslaw 74
Cherson 58
Dongebiet 45
Es wäre ein grosser Irrtum anzunehmen, dass dieser ziemlich hohe
Prozentsatz des Viehes in Bezug auf die Bodenfläche ein Beweis für das
Bestehen eines intensiven Betriebssystems des neurussischen Ackerbaues
sei. Das Vieh wird in den neurussischen Gouvernements vorwiegend
als Arbeitskraft gebraucht.
Die Industrialisierung des Ackerbaues ist in den neurussischen
Gouvernements unbedeutend entwickelt. Hier, wie in Russland grössten
teils, bleiben viele Bodenprodukte unverarbeitet und dienen im besten
Falle nur als Ausfuhrgegenstand.
Auch die technischen Nebengewerbe sind in Neurussländ ganz un
bedeutend entwickelt. Dem extensiven Wirtschaftssystem gemäss nützt
man die Bodenprodukte hier nicht hinreichend, weil man Ausgaben an
Kapital und Arbeit scheut. Der Boden wird nur als Ackerland benützt
und die Bodenprodukte werden insofern technisch bearbeitet, als sie für