Full text: Die Arbeiterfrage in der Südrussischen Landwirtschaft

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als Hemmnis für den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt in der 
gutsherrlichen Wirtschaft dienen. «Je mehr die Ablösung der bäuerlichen 
Lasten vollzogen ist, umso wichtiger wird für alle grossen und mittleren 
Landwirte die Menge und Güte der landwirtschaftlichen Lohnarbeit. 
Und zwar setzt sich im Wesentlichen auch hier noch immer dieselbe 
Richtung fort, welche dort zur Abschaffung der an den Boden geknüpften 
lebenslänglichen und erblichen Dienstverhältnisse geführt hat. Auch auf 
dem platten Lande nimmt die Anzahl der Tage- und Stücklöhner, die 
eine wenigstens proletarische Selbständigkeit gemessen, regelmässiger 
zu als die des Hauptgesindes.» 1 ) 
Durch den Mangel an Land einerseits und durch die Gebunden 
heit an die Bauerngemeinde anderseits wird ein beträchtlicher Teil 
dej Bevölkerung genötigt, seine Arbeit dem Arbeitgeber für Naturallohn 
zu verkaufen. Dadurch wird auch die Ausbildung kapitalistischer Ver 
hältnisse in der südrussischen Landwirtschaft sehr stark gehemmt. 
Eine starke Entwicklung des Ackerbaues bei dem extensiven Be 
triebssystem bedingt eine grosse Nachfrage nach Arbeitskräften in der 
Landwirtschaft. Dieser grosse Bedarf an Arbeitskräften zieht den neu- 
russischen Gouvernements eine Menge von Wanderarbeitern zu, die von 
verschiedenen, manchmal ziemlich entfernten Gegenden Russlands herbei 
strömen. Indem sie in ihrer Heimat als Grundbesitzende gelten, werden 
diese Bauern als Wanderarbeiter in den südrussischen Gouvernements 
zu jenen Taglöhnern, von denen Roscher oben spricht und die hier für 
eine grosse kapitalistische Wirtschaft unentbehrlich sind. Trotz eines 
starken Zuströmens der Wanderarbeiter, die in den südrussischen Gouverne 
ments in der Lage echter Proletarier, die nichts ausser ihrer Arbeits 
kraft besitzen, sich befinden, leiden manchmal — früher war es noch 
viel ärger — die südrussischen Landwirte unter dem Mangel an ländlichen 
Arbeitern. Dieser wird entweder durch den Mangel der Regulierung 
der Wanderung der Arbeiter hervorgerufen oder durch die ausser 
ordentlichen natürlichen Erscheinungen in der Landwirtschaft. In solchen 
Zeiten werden die Arbeitgeber, auch diejenigen, welche eine vollständig 
kapitalistische Wirtschaft führen, genötigt, die notwendigen Arbeiten durch 
die einheimischen, grundbesitzenden Arbeiter zu verrichten, die sehr 
leicht geneigt sind, das Entgelt in natura entweder durch pachtweise 
Hergabe von Landstücken oder durch Deputate — zu bekommen. Den 
günstigen Boden dafür schafft die bedrängte, wirtschaftliche Lage der 
Bauern. 
') W. Roscher, Nationalökonomik des Ackerbaues S. 416.
	        
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