Full text: Die Arbeiterfrage in der Südrussischen Landwirtschaft

einen so grossen Umfang gewinnt, dass die Feldarbeiten eine grosse 
Masse von Arbeitskräften erfordern. Da diese grosse Fläche des Saat 
feldes im engsten Zusammenhang mit dem Ackerbausystem in der süd 
russischen Gutswirtschaft steht, so wollen wir zunächst dieses etwas 
eingehender berühren. 
Die extensive Wirtschaft, der Raubbau, wird in der gutsherrlichen 
Wirtschaft ziemlich oft von einer primitiven, ganz veralteten Ackerbau 
technik begleitet. Zwar berichten uns in der letzten Zeit die Land 
wirtschaftskomitees, die südrussische Landwirtschaft befände sich in 
einem Uebergangsstadium; das alte Ackerbausystem werde durch ein 
besseres, zweck massigeres, weniger auf Raubbau beruhendes System 
ersetzt. Doch sind diese Fälle immer noch sehr selten und der Zahl 
nach unbedeutend, ln den meisten Fällen steht das Ackerbausystem in 
der gutsherrlichen Wirtschaft in den südrussischen Gouvernements noch 
immer auf einer sehr niedrigen Kulturstufe. In seinem Streben, eine 
möglichst grosse Anbaufläche mit Korn zu bebauen, kümmert sich hier 
der Landwirt gar nicht um die unumgänglichen Folgen einer solchen 
Bodenverschwendung, — um die Erschöpfung der Bodenkräfte. 1 ) Die 
Initiative für die Anwendung der Bodenverbesserungen, für den Ueber- 
gang zu den anderen Ackerbausystemen ist sehr gering; auch die wenigen 
Fortschritte, die hie und da sich bemerkbar machen, sind nicht durch 
ein zielbewusstes Streben nach Verminderung der Bodenerschöpfung, 
sondern durch das Bestreben, die Produktionskosten — namentlich die 
durch die Arbeitslöhne verursachten — zu vermindern, zu erklären. 
Die neueren Berichte weisen aber auf verschiedene Fortschrittser- 
scheinungen in der neurussischen Ackerbautechnik hin. «Der ganze Acker 
bau» — sagt in seiner Denkschrift der Gouverneur vom. Gouvernement 
Cherson, Herr Lewaschow — «hält noch fest an der Feldgraswirtschaft, 
die ohne jegliche Düngermittel geleitet wird, indem man als Ziel einen 
möglichst grossen Ertrag an Getreideprodukten, speziell der am leichtesten 
verkäuflichen Produkte verfolgt . . . Die ganze Wirtschaft wird routine- 
massig in der veralteten Weise geführt; überall herrscht nur eine einzige 
Richtung — das Bestreben, möglichst viel Land als Saatfeld zu bestellen 
und möglichst gangbare Getreidearten auszubauen. Die Bodenverbesserung, 
überhaupt eine rationellere Bodenbenützung wird von unseren russischen 
Landwirten als wenig wichtig betrachtet. Das Ernteergebnis in unseren 
Gouvernements hängt nicht so viel von der rationellen Ackerbestellung, 
als von der Witterung ab.» 2 ) 
*) Vgl. Settegast, Landwirtschaft und ihr Betrieb, S. 86 ff. 
2 ) Schriften des Landwirtschaftskomitee vom Gouvernement Cherson und Bessarabien.
	        
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