Full text: Volkswirtschaftliches Lesebuch für Kaufleute

2. Die Wirtschaftsstufen in der Geschichte der Volkswirtschaft. 
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folge der Formen auch ein höheres Bild des wirtschaftlichen und damit des gesamten 
Volkslebens. Man bezeichnet sic deshalb als „Wirtschaftsstufen". Von ihnen 
kann erst nach der Völkerbildung die Rede sein. 
Aus den Arzuständen der Menschheit, den ersten Zeiten des Menschengeschlechts 
und der Völkerbildung, in denen die Menschen zunächst wohl nur von wilden Pflanzen 
sich nährten, erst allmählich durch Wanderungen und Isolierungen neue Raffen und 
Stämme entstanden, in den Rassen die menschliche Sprache sich ausbildete und zu der 
vegetabilischen Nahrung auch schon rohe animalische Speise (Lonig, Insekten, Am 
phibien, Fische, Blut re.) hinzukam, lagert ein Schleier, den die wissenschaftliche Forschung 
hie und da etwas zu lüften, aber nicht zu entfernen vermag. Doch erhob sich in ihnen 
sicherlich die wirtschaftliche Tätigkeit wenig über die Art, wie auch die Tiere in der 
Natur für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse durch materielle Mittel zu sorgen haben, 
und sie beschränkte sich auch wie bei diesen nur auf die Befriedigung des Nahrungs 
bedürfnisses. Des Menschen geistige Kraft und Fähigkeit war schwerlich viel höher 
als die des höchstentwickelten Tieres. Die Menschen, wie die Tiere nackt im Freien 
und in Äöhlen lebend, okkupieren auch nur in der äußeren sie umgebenden Natur, was 
sie Brauchbares und Erreichbares zu ihrer Ernährung finden, und sind wie die Tiere 
von der Natur absolut abhängig. Aber es tritt dann die Differenzierung ein, und sie 
wird stetig stärker. Während die Tierwelt in ihren Bedürfnissen und deren Befriedi 
gung durch materielle Güter keine selbständige Entwicklung zu höherer Art erlebt, sondern 
immer nur okkupiert, immer nur als Sklave der Natur mit den von dieser ihr dar 
gebotenen Mitteln ihr natürliches Nahrungsbedürsnis befriedigt, offenbart der Mensch 
sein von dem Tier verschiedenartiges, sein besonderes geistiges Wesen in der Gestaltung 
seiner Bedürfnisse und seiner Wirtschaft und macht diese zur Basis eines höheren 
Gcnußlebens. Dieser Bildungsprozeß ist freilich nach Rassen und Völkern ein sehr 
verschiedenartiger. Ein Teil der Völker zeigt nur geringe Fortschritte und kommt in 
den Jahrtausenden seiner Geschichte nicht über die niedrigsten Stadien wirtschaftlicher 
Existenz hinaus, die Völker bleiben unter der Herrschaft der Natur Naturvölker. 
Aber andere, begünstigt durch ihre natürliche, geistige und körperliche Anlage und durch 
die Verhältnisse der Territorien, auf denen sie wirtschaften, gelangen zu höheren Wirt 
schaftszuständen, werden Kulturvölker; sie verändern, verfeinern die natürlichen Be 
dürfnisse und fügen ihnen zahlreiche neue aus ihrem geistigen Wesen hinzu, sie ge 
stalten ihre materielle Produktion immer mehr nach ihrem Willen, werden zu Herren 
der Natur und steigen so allmählich von Stufe zu Stufe aus einem der tierischen 
Bedürfnisbefriedigung gleichen oder doch fast gleichen Zustande bis zu dem hohen 
materiellen und geistigen Genußleben der heutigen Kulturvölker empor. 
Man unterscheidet in der Geschichte, seitdem Menschen das Feuer entzünden und 
unterhalten können, neben Vegetabilien auch regelmäßig Fleischnahrung begehren, Ge 
räte und Werkzeuge erfinden und als Stämme resp. Völker mit gemeinsamer Sprache 
und Sitte in selbständigen politischen Gemeinschaften für die Befriedigung ihrer Be 
dürfnisse und in Erfüllung ihrer Lebenszwecke tätig sind, zwei Gruppen von Wirt- 
fchastsstufen. Das hauptsächlichste Anterscheidungsmerkmal ist für die eine der Zu 
stand der volkswirtschaftlichen Produktion, für die andere der Zustand des Tausch 
verkehrs. Die typischen Grundformen der ersteren sind: die Wirtschaftsstufen des 
Iägervolkes resp. Fischervolkes, des Hirten- (Nomaden-) Volkes, des seßhaft gewordenen 
reinen Ackerbauvolkes, des Gewerbe- und Handelsvolkes, des Industrievolkes, die der 
anderen: die Naturalwirtschaft, die Geldwirtschaft und die Kreditwirtschaft. 
l. Die Naturalwirtschaft bezeichnet denjenigen Zustand der Volkswirtschaft, 
in welchem, soweit überhaupt ein Tauschverkehr stattfindet, die Tauschgeschäfte aus 
schließlich oder doch in der Regel Naturaltauschgeschäfte sind. Die Institution des 
gemünzten Metallgeldes ist entweder noch völlig unbekannt, oder, wenn schon gemünztes
	        
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