Full text: Die Entwickelung der eingetragenen Genossenschaften in Preussen während des letzten Jahrzehnts

schließlich mit der in den Satzungen festgesetzten Haftsumme, 
wobei die Haftsumme nur gleich oder höher, nicht aber 
niedriger als der Geschäftsanteil sein darf, und beide in be 
stimmten Beträgen ausgeworfen sein müssen. Es können i 
daher die niedrigsten Geschäftsanteile mit sehr hohen Haft 
summen verbunden werden, aber auch sehr hohe oder sehr 
niedrige Geschäftsanteile mit nur gleich hohen Haftsumme- 
beträgen. Die Einführung der beschränkten Haftpflicht und 
der große Spielraum in dem möglichen Verhältnis der Haft 
summe zum Geschäftsanteil hat in vielen Gegenden und für 
viele Gegenstände des Unternehmens die allseitige Ent 
wickelung des Genossenschaftswesens überhaupt erst ermög 
licht. Aber Voraussetzung bleibt auch für Genossenschaften 
mit beschränkter Haftpflicht das Festhalten an dem Geiste 
und Wesen' genossenschaftlicher Vereinigung und an den be- , 
währten Grundsätzen vorsichtigster Geschäftsgebahrung: mit 
der Zusammenfassung zersplitterter oder schwacher Kräfte zu 
gemeinsamer Erreichung eines größeren Zieles muß die An- : 
Sammlung eines möglichst reichlichen eigenen Vermögens, auf i 
dem der genossenschaftliche Betrieb und der hierfür unent 
behrliche Kredit fußen kann, Hand in Hand gehen. Das ist 
um so dringlicher, je mehr die Genossenschaften eine wirt 
schaftliche Macht durch Zusammenfassung Von Kapitalien 
werden, und je öfter es bei der sich stetig ausdehnenden 
Genossenschaftsbewegung vorkommt, daß eine und dieselbe 
Person zwei oder mehreren Genossenschaften als Mitglied an 
gehört. Bedenklich ist es, die Schaffung eines eigenen Ver 
mögens, wofür der Geschäftsanteil eine wesentliche Quelle ist, 
durch niedrige Geschäftsanteilsätze hintanzuhalten. Die 
Gefahr verdoppelt sich bei Genossenschaften mit beschränkter 
Haftpflicht, wenn die Befriedigung des Kreditbedürfnisses und 
der Geschäftsbetrieb mehr auf unverhältnismäßig hohe Haft 
summesätze als auf das Vermögen gegründet wird. In be 
sonderen Fällen und bei gewissen Gegenständen des genossen 
schaftlichen Unternehmens mag ein weiter Spielraum zwischen 
Geschäftsanteil und Haftsumme immerhin nicht notwendiger 
weise bedenklich sein: auch sind hier die wirtschaftlichen und 
geschäftlichen Grundsätze in den Verbänden von Bedeutung. 
Eine statistische Darstellung des Verhältnisses von Haftsumme 
und Geschäftsanteil gibt in die Dinge einen Einblick. 
1. Geschäftsanteil und Haftsumme im allgemeinen. 
Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht gab es am 
l. .Januar 1904 im Königreich Preußen 4 621 mit zusammen 
882 514 Mitgliedern, welche insgesamt mit 333 518 422 Jt 
haftpflichtig waren. Diese Genossenschaften hatten den Ge 
schäftsanteil im ganzen nach 65 verschiedenen Stufen fest 
gesetzt, welche zwischen den Grenzwerten von 50 Pf. bis 
15 000 M lagen. Der durchschnittliche Geschäftsanteil betrug 
101 Jt- wenn der Geldbetrag aller erworbenen Geschäftsanteile 
durch deren Anzahl geteilt wird. — Die Einzelhaftsumme 
liegt zwischen 1 Jt und 20 000 Jt- Die Zahl der verschiedenen 
Haftsummesätze läßt erkennen, daß der Spielraum in der tat 
sächlich vorkommenden Verbindung von Geschäftsanteil und 
Haftsumme sehr groß ist; selbstverständlich ist er um so 
weniger groß, je höher der Geschäftsanteil wird, weil die 
Einzelhaftsumme nicht niedriger sein darf als jener. Die 
durchschnittliche Gesamthaftsumme stellt sich für das einzelne 
Mitglied auf 378 Jt, für den einzelnen Geschäftsanteil aber be 
trägt sie 224 Jt- Durchschnittszahlen wie die vorstehenden haben 
nur einen bedingten allgemeinen Wert; in ihnen sind alle Be 
sonderheiten und Einzelerscheinungen verwischt. Lehrreicher 
ist dagegen eine eingehendere Gliederung der Zahlen. 
In der Tabelle 11 (S. 38 u. 39) werden die Genossenschaften 
m. b. H. nach den tatsächlich vorkommenden Geschäftsanteilen 
und nach der Haftsumme als Vielfaches des Geschäftsanteils 
gruppiert, und zwar nach dem Stande vom 1. Januar 1904. 
Die Häufigkeit des Vorkommens der verschiedenen Ge 
schäftsanteilsätze und deren Bedeutung für die beschränkte 
Haftpflicht ergibt sich aus den Spalten 1 bis 4 der Tabelle 11; 
die Summenzeile vermittelt einen allgemeinen Überblick über 
die mehr oder weniger vielseitige Praxis in der Festsetzung 
der Haftsumme für den Geschäftsanteil; für jede Geschäfts 
anteilstufe im besonderen ist das- Vielfache der Haftsumme 
vom Geschäftsanteil aus jeder Querzeile abzulesen. 
Die Bedeutung dieser Zahlen ersieht man am besten aus 
folgenden Verhältniswerten. Es gehörten 
zu der Gruppe des 
Vielfachen des Geschäfts 
anteils und zwar 
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1 346 
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300 ,, . 
0,35 
0,17 
1,15 
2 540 
., .. 300- 
500 .. . 
0,19 
0,20 
0,94 
1 779 
„ 500— 
1000 ., . 
0,15 
0,05 
0,37 
2 669 
,, ,, 1 000 fachen .... 
0,02 
0,00 
0,01 
1 400. 
Aus diesem Zahlenbilde ersieht man mit Befriedigung, daß 
ein großer Teil der Genossenschaften m.b.H., nämlich 1646 oder 
35,62 v. H. mit 538'296 Mitgliedern oder 61 v. H. an dem sehr 
vorsichtigen Grundsätze festgehalten hat, die Haftsumme nicht 
höher als den Geschäftsanteil zu bemessen, was um so 
beachtenswerter ist, als die Haftpflicht dieser 61 v. H. aller 
Mitglieder sich auf nur 28,01 v. H. aller Haftsummebeträge 
beschränkt, im Durchschnitte also niedrig ist; denn jedes Mit 
glied hat nur mit 174 Jt zu haften. Mehr als 60 v. H. aller 
Genossen der Genossenschaften m. b. H. erscheinen demnach 
durch die Übernahme der genossenschaftlichen Haftpflicht wirt 
schaftlich nicht bedroht; sicherlich könnte dies wohl nur bei 
einer kleinen Minderzahl der Fall sein. Wenn sich dann aus 
den Zahlen der Tabelle 11 weiter ergibt, daß von der 
eben besprochenen Gruppe der Genossenschaften m. b. H. 
wieder noch 581 (= 35.30 v. H.) mit 160 061 Mitgliedern 
(= 29,73 v. H.) den höheren Geschäftsanteilen von 200 Jt 
und darüber angehören, so darf man die befriedigende 
Tatsache feststellen, daß hier die gesundesten genossenschaft 
lichen Grundsätze ausgiebig verwirklicht sind: die wirtschaft 
liche Gefahr aus der Übernahme der genossenschaftlichen 
Haftpflicht ist für das einzelne Mitglied augenscheinlich nicht 
größer, als sie auch im außergenossenschaftlichen Verkehrs 
leben wohl für jeden Geschäftsmann besteht. — Ähnliches 
wird für die 512 Genossenschaften m. b. H. (= 11,os v. H.) 
mit ihren 133 968 Mitgliedern (= 15,18 v. H.) gelten, bei 
denen die Haftpflicht bis zum Doppelten des Geschäfts 
anteils festgesetzt ist, ja größtenteils auch für die 
412 Genossenschaften (= 8,92 v. H.) mit 57 792 Mit 
gliedern (= 6,55 v. H.), bei denen die Haftpflicht bis zum 
Fünffachen des Geschäftsanteils reicht. — Darüber hinaus, 
etwa bis zum Fünfzigfachen, können schon Bedenken über 
die befolgten Grundsätze geltend gemacht werden, am 
wenigsten noch bei, den Genossenschaften mit den höheren 
Geschäftsanteilen, weil hier im allgemeinen die kapital 
kräftigeren Einzelpersonen zusammengefaßt sein werden und 
bei höheren Geschäftsanteilen die Bildung eigenen Vermögens 
rascher vor sich geht, wofern die Bateneinzahlungen nicht
	        
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