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Eine schon 1870 an den Zollbundesrat gerichtete, von 180 Eta 
blissements Unterzeichnete Bitte um Zollerhöhung für die feineren Quali 
täten in Baumwollprodukten x ) verhallte ungehört. Nunmehr drängten 
die süddeutschen Spinner im Verein mit den Eisenindustriellen (Grün 
dung des Zentral verband es deutscher Industrieller) energisch auf Er 
höhung und Abstufung des Garnzolles, um womöglich das Elsaß 
wieder auf den Weg der Feinspinnerei zurückzuführen und dadurch 
eine Arbeitsteilung zu schaffen. Im Sinne der erwähnten Eingabe 
wurde 1878 eine Enquete über Produktions- und Absatzverhältnisse 
der Textilindustrie veranstaltet. Der Bericht der Enquete-Kommission 
stellte zwar fest, daß es den Spinnereien, die „von vornherein auf 
einer normalen finanziellen Grundlage aufgebaut waren ... an einer 
gesunden Entwicklung nicht gefehlt hat“ 2 ). So hatte das Durch 
schnittserträgnis der Aktienspinnereien in der Zeit von 1856 bis 1878 
6,53% betragen 2 ). Ziehen wir aber die Berichte der berufenen Ver 
tretungen von Handel und Industrie, der Handels- und Gewerbe 
kammern zu Rate, von denen für die Baumwollindustrie zunächst in 
Betracht kommen die zu Augsburg und Bayreuth, Chemnitz und 
Plauen, München-Gladbach und Mülhausen i. E., so finden wir 
mit großer Übereinstimmung die Hoffnung auf Erhöhung der Zoll 
sätze ausgesprochen. 
Dieselbe Erwartung hegten aber auch alle Spinner, die als 
Sachverständige mündlich von der Enquete-Kommission vernommen 
wurden, und von 15 Sachverständigen der Webereibranche waren 
nur zwei gegen eine Erhöhung der Garnzölle, alle anderen befür 
worteten sie oder hielten doch eine gleichzeitige Erhöhung der Ge 
webezölle für eine ausreichende Kompensation. 
Bei dieser mündlichen Vernehmung ergab sich zunächst, daß die 
Spinnerei im Gegensatz zur Weberei in Zeiten der Not insofern einen 
schwierigeren Stand einnimmt, als in ihr viel größere Kapitalien in 
vestiert sind. Dann kamen vor allem immer wieder die Vorzüge 
Englands zur Sprache, die diesem Lande notwendig geringere Produk 
tionskosten gewährleisteten und zum Teil heute noch gewährleisten. 
England hatte billigere Kohlen, billigere Maschinen, billigere Re 
paraturen, billigeren Rohstoff, billigeres Geld, es hatte besseres Klima, 
keine erschwerenden Bedingungen in bezug auf Fabrikgesetzgebung, 
keine Militärpflicht und infolgedessen eine große Schar ausharrender 
1) J. Gensei, Die Rohstoffe und Erzeugnisse der Textilindustrie im Zolltarif 1879, 
Supplementheft 5 zu Conrads Jahrbüchern f. N. u. St., Jena 1880, S. 70. 
2) Ebenda S. 72, 
3) Ebendaselbst. Es ist nicht ersichtlich, ob Dividende oder Reinertrag gemeint ist.
	        
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