Full text: Zur Entwicklung der Baumwollindustrie in Deutschland

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Mode mehr die ganz groben Gewebe vorzog. 1886 haben wir, ob 
wohl die Preisschwankungen der Baumwolle noch geringer waren 
als 1883, das Widerspiel dazu. Eigentlich sollte man dieselbe Kon 
stellation erwarten, wie sie 1883 vorhanden war, denn auch der Durch 
schnittspreis der Baumwolle befand sich wieder auf einem Minimum. 
Daß dem nicht so war, hatte seinen Grund in der englischen Spinnerei- 
Überproduktion. Die Engländer verkauften ihre Garne Frühjahr und 
Sommer hindurch zu niedrigen Preisen in Deutschland und zwangen 
dadurch die deutschen Spinner, noch geringere Preise zu verlangen. 
Die Weberei zog, da die Mode dem Absatz äußerst günstig war, 
ihren Vorteil daraus. Auch 1892 ist für die Spinnerei ein äußerst 
ungünstiges, für die Weberei ein äußerst günstiges Jahr. Diesmal 
war es aber die eigene Überproduktion von Garnen und das Nicht 
zustandekommen einer einheitlichen Betriebseinschränkung, die den 
Spinnern Verlust brachte. Auch die Erwartung einer neuen Riesen 
ernte im Jahre 1892/93 und damit noch billigerer Preise trug- einen 
Teil der Schuld. Die Jahre 1890 und 1895 konnten für die Spinnerei 
und die Weberei zugleich so günstige Resultate ergeben, weil die 
Spinner das Jahr mit sehr billigen Baumwollvorräten vom Jahre vor 
her antreten und sich in der ersten Hälfte des Jahres noch ebenso 
billig mit weiteren Vorräten versehen konnten und die Weber durch 
die Mode und die anhaltend günstige Witterung guten Absatz hatten. 
Über das Jahr 1902, das für die ganze Spinnerei ein Minimum in 
der Marge brachte, warf die Unsicherheit in den Zollverhältnissen 
seine Schatten. Die Baumwollproduktion hatte gegenüber dem ge 
steigerten Konsum in den letzten Jahren keine Überschüsse mehr ge 
liefert, die Spinnereien in den Südstaaten der Union legten immer 
mehr Beschlag auf einen großen Teil der amerikanischen Ernte, so 
daß nicht nur das Niveau der Baumwollpreise hoch blieb, sondern 
auch die Spekulation zum Eingreifen veranlaßt wurde, was ziemlich 
bedeutende Preisschwankungen zur Folge hatte. Vom Beginn des 
Frühjahrs an rechnete man mit einer ausnahmsweise großen Ernte, 
daher fielen die Preise im Terminhandel unausgesetzt bis über die 
Mitte des Jahres hinaus; der Konsum verhielt sich daher sehr zurück 
haltend und die Spinnerei mußte Absatz um jeden Preis erzwingen. 
Gegen Ende des Jahres trieben schlechte Erntenachrichten die Preise 
wieder in die Höhe. 
Wir sehen, die Rentabilität der Spinnerei hängt sehr von der 
Preisbewegung der Rohbaumwolle ab, die der Weberei stützt sich 
mehr auf die Mode und die Witterung. Aber rapides Sinken und 
Steigen der Rohstoffpreise drückt gewöhnlich den Preis von Garnen
	        
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