152 Anhang IV. Beschlüsse der Deutschen Lehrerversammlung.
Jagden jc.), oder infolge unzulänglicher Aufsicht und unterlassener Trennung
der Geschlechter, die moralische Erziehung leidet.
3. Daraus erwachsen auch der Schule schwerwiegende Hindernisse; diese
bestehen in Erschlaffung und Stumpfsinn der Kinder während des Unterrichts,
in mangelndem häuslichen Fleiße, in häufigen Verspätungen und Schulver-
sänmnissen und in auffallend geringen Fortschritten, sowie darin, daß die
erwerbstätigen Schüler infolge der bezeichneten Mängel leicht zum Hemm
schuh für die geistige und sittliche Entwicklung sämtlicher
Schüler werden.
4. So sehr die Kinderarbeit an sich bei zweckmäßiger Auswahl der Be-
schäfiigung und verständiger Leitung als wertvolles Erziehungsmittel zu
empfehlen ist, so sehr ist sie in Form der Erwerbstätigkeit, mit der eine Aus
beutung der Kraft des Kindes fast mit Notwendigkeit verbunden ist, vom
pädagogischen Standpunkt aus zu verwerfen. Ihre vollständige Be
seitigung während des schulpflichtigen Alters ist zu erstreben.
5. Solange aber die sozialen Verhältnisse, namentlich die Notlage zahl
reicher Familien, die Durchsührung dieser radikalen Maßregel noch unmöglich
machen, muß wenigstens eine weitgreifende Einschränkung der Er-
werbstätigkeit der Kinder angestrebt tverden. Nach dieser Richtung erscheint
als durchaus notwendig:
a) Das Verbot jeder Beeinträchtigung des regelmäßigen Schulbesuchs
durch Rücksichtnahme auf erwerbsmäßige Beschäftigung der Schul
kinder, insbesondere der Hüteschulen, sowie solcher Dispen
sationen vom Schulbesuch, die im Interesse der Erwerbstätigkeit
geschehen.
b) Jede erwerbsmäßige Beschäftigung von Kindern unter 12 Jahren
ist zu verbieten.
o) Ebenso die Arbeit älterer Kinder morgens vor Beginn der Schule,
nach. 6 Uhr abends und an Sonntagen, sowie Akkordarbeit und
Doppelbeschäftigung.
ck) Die Dauer der regelmäßigen täglichen Beschäftigung ist möglichst
kurz. zu beniesten. Bei der Arbeit müssen diejenigen besonderen
Rücksichten auf Gesundheit und Sittlichkeit genommen werden, die
durch das jugendliche Alter geboten sind.
e) Ganz zu verbieten ist: Hausieren, Beschäftigung in Wirtshäusern,
bei Schaustellungen und bei Treibjagden.
k) Die staatliche Aufsicht ist auch auf di« Beschäftigung der Kinder
in der Hausindustrie und in der Landwirtschaft auszudehnen.
Die Deutsche Lehrerversammlung spricht den lebhaften Wunsch aus, daß
die kürzlich seitens der Reichsbehörden aufgenommene Statistik über die er
werbsmäßige Arbeit schulpflichtiger Kinder unter vermehrter Berücksichtigung
der Belastung der Kinder durch die Arbeit in regelmäßigen Abständen wieder
holt und auch auf die Arbeit in der Landwirtschaft ausgedehnt werde.