1. Die Wirtschaftsstufen.
39
brand ersonnene Stufenreihe macht den Zustand des Tauschverkehrs zum Unter
scheidungsmerkmal. Sie nimmt demgemäß drei Entwicklungsstufen an: Natural
wirtschaft, Geldwirtschast, Kreditwirtschaft.
Beide aber setzen voraus, daß es zu allen Zeiten, soweit die Geschichte zurück
reicht, bloß vom „Urzustand" abgesehen, eine aus der Grundlage des Güteraustausches
ruhende Volks wirtschaft gegeben habe, nur daß die Formen der Produktion und
des Verkehrs zu verschiedenen Zeiten verschiedene gewesen seien. Sie bezweifeln auch
gar nicht, daß die Grunderscheinungen des wirtschaftlichen Lebens zu allen Zeiten im
wesentlichen gleichartige sind. Es ist ihnen nur darum zu tun, nachzuweisen, daß die
verschiedenen wirtschaftspolitischen Maßregeln und Einrichtungen früherer Zecken in
der abweichenden Art der Produktion oder des Verkehrs ihre Rechtfertigung gefunden
hätten, und daß auch in der Gegenwart verschiedene Zustände verschiedene Maßregeln
erforderten.
Noch die neuesten zusammenhängenden Darstellungen der Volkswirtschaftsckhre,
welche aus dem Kreise der historischen Schule hervorgegangen sind, beruhigen sich bei
dieser Auffassung. , ^ ...
Ein eindringendes Studium, das den Lebensbedingungen der Vergangenyeu
wirklich gerecht wird und ihre Erscheinungen nicht mit dem Maßstabe der Gegenwart
mißt, muß dagegen zu dem Resultate gelangen, daß die V o l k s w i r t s ch aft d a s
Produkt einer jahrtausendelangen historischen Entwicklung
ist,dasnichtälteristalsdermoderne Staat,daßvorrh rer Ent
stehung die Menschheit große Zeiträume hindurch ohne
Tauschverkehr oder unter Formen des Austausches von Pro
dukten und Lei st ungen gewirtschaftet hat, die als volkswirt
schaftliche nicht bezeichnet werden können.
Wollen wir diese ganze Entwicklung unter einem Gesichtspunkte begreifen, jo
kann dies nur ein Gesichtspunkt fein, der mitten hineinführt in die wesentlichen Er
scheinungen der Volkswirtschaft, der uns aber auch zugleich das organisatorische
Moment der früheren Wirtschaftsperioden aufschließt. Es ist dies kem anderer als
das Verhältnis, in welchem die Produktion der Güter zur Konsumtion derselben steht,
erkennbar an der Länge des Weges, welchen die Güter vom Produzenten bis zum
Konsumenten zurücklegen. Unter diesem Gesichtspunkte gelangen wir dazu, me ge
samte wirtschaftliche Entwicklung, wenigstens für die zentral- und westeuropäischen
Völker, wo sie sich mit hinreichender Genauigkeit historisch verfolgen laßt, m drei
Stufen zu teilen: ,
1. die Stufe der geschlossenen Hauswirtschaft (reine Eigenpro
duktion, tauschlose Wirtschaft), auf welcher die Güter in derselben Wirtschaft verbraucht
werden, in der sie entstanden sind;
2. dieStufederStadtwirtschaft (Kundenproduktion oder Stufe des
direkten Austausches), auf welcher die Güter aus der produzierenden Wirtschaft un
mittelbar in die konsumierende übergehen;
3. dieStufederVolkswirtschaft (Warenproduktion, Stufe des Güter
umlaufs), auf welcher die Güter in der Regel eine Reihe von Wirtschaften passieren
müssen, ehe sie zum Verbrauch gelangen. ^ . ...
Allerdings bezeichnen Hauswirtschaft — Stadtwirtschaft — Volkswirtschaft
nicht einen Stufengang, dessen Glieder einander völlig ausschließen. Es hat immer
e i n e Art des Wirtfchaftens v o r g e h e r r f ch t; sie war in den Augen der Zeckge-
nossen das Normale. Auch in die Gegenwart ragen noch manche Elemente der Stadt
wirtschaft und selbst der geschlossenen Hauswirtschaft herein. Noch heute tritt em
sehr beträchtlicher Teil der nationalen Güterproduktion nicht in die volkswirtschaftliche
Zirkulation ein, sondern wird in denjenigen Sonderwirtschaften verbraucht, welche