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Vorwort zur dritten Auflage.
Stellung und einen gewissen politischen Einfluß verbürge.*) Zur Begründung ihrer
Ansicht weisen diese Nur-Praktiker mit Vorliebe auf die lange Reihe von self-made
men hin, die es trotz einer oft recht mangelhaften Schulbildung doch „zu etwas
gebracht haben". Nun begegnen wir unter den führenden Männern in Handel und
Gewerbe ganz gewiß nicht wenigen, deren „Wiege am Webstuhl ihres Vaters
stand". Aber muß man denn wirklich immer wieder daran erinnern, daß diese
Auserwählten vornehmlich ihrer P e r s ö n l i chlk e i t ihre Erfolge verdanken, und
daß ihr Lebensweg bei weitem nicht so steil und so dornig gewesen wäre, wenn
sie (in ihren Lehr- und Wanderjahren über bessere und reichere Bildungsmittel
verfügt hätten?
Auch noch ein anderer Umstand spricht gegen jene alte, aber nicht weniger
veraltete orthodoxe Auffassung.
Handel, Industrie und Verkehr haben in den letzten Jahrzehnten einen unge
ahnten Aufschwung genommen, und ihre Verbündeten, die Technik und die Natur
wissenschaften, feiern in der Gegenwart die größten Triumphe; die wirtschaftlichen
Beziehungen der Kulturvölker werden immer lebhafter und inniger, und der Wohl
stand des einzelnen und der Gesamtheit wächst zusehends. Wir haben allen Grund,
uns über diese glänzende Entwickelung zu freuen, aber wir dürfen über ihr nicht
vergessen, daß die ungesunde Überschätzung der materiellen Dinge bei uns immer
mehr zunimmt, und daß das unruhige Hasten und Treiben des Tages, die auf
reibende Arbeit im Laden und im Kontor und die leidige Sorge um das eigene
Ich und die Familie selbst manchen tüchtigen Geschäftsmann nicht mehr zur Aus
übung seiner staatsbürgerlichen Rechte kommen lassen. Müssen wir nicht angesichts
dieser beschämenden Zustände befürchten, daß die Beteiligung an unserem öffentlichen
Leben in Zukunft noch mehr als schon jetzt das ungeschriebene Vorrecht von Volks
klassen sein wird, die das erwerbstätige Bürgertum von jeher auf das rücksichtsloseste
bekämpft haben? Und ist es da nicht auch chie Pflicht unserer Kaufleute und
Fabrikanten, sich endlich auf sich selbst zu besinnen und im Geiste eines Hermann
v. Beckerath, eines Arnold Duckwitz, eines Gustav v. Mevissen an der
Lösung der großen Fragen unserer Zeit reger und freudiger als bisher mitzuarbeiten?
Hören wir, wie ein Wissender über diese Dinge denkt!
„Geldverdienen ist schön"; — so führte am 13. Februar 1903 der damalige
preußische Handelsminister in einer viel beachteten Rede in Bremen aus — „aber
Geldverdienen muß nicht unter allen Umständen das höchste sein, sondern es müssen
Leute, die in sich die Kraft fühlen, darauf verzichten, daß Geldverdienen erstes sei,
und als höchstes gelten lasten, für das Wohl ihres Staates zu wirken". Dazu ge
hört aber, wie Herr v. Möller bei einer anderen Gelegenheit zutreffend bemerkte,
„nicht bloß guter Wille, sondern eine Summe von volkswirtschaftlichen und sonstigen
Kenntnissen, die man sich erst durch ein eifriges Studium erwerben kann".
*) Wäre bie|c richtig, so hätten allerdings selbst die umfassendsten allgemeinen
und besonders auch volkswirtschaftliche Kenntnisse nicht den geringsten praktischen Wert.