volle Gewißheit über Zweck und Wert seines Daseins erlangen.
So geht es auch uns. Wir sind kein Ganzes, sondern nur ein
Teil eines Ganzen. Wenn wir das Ganze wären, wüßten wir
alles. Weil wir aber kein Ganzes sind und es nie sein werden,
hat unsere Erkenntnis unübersteigbare Schranken. Als Ganzes
meine ich den Kosmos, nicht nur die Menschheit. Wir müssen
uns damit begnügen, daß, wie alles in der Natur Zweck hat,
auch unser Dasein einen Zweck, also auch Wert hat, ,wenn
nicht für uns, so doch für den Kosmos, und da wir ein Teil
des Kosmos sind, also auch für uns.“
Daß die absolute Mehrheit der untersuchten Arbeiterkate
gorien antireligiös gesinnt sei, kann nicht behauptet werden.
Es zeigt sich vielmehr eine religiöse Indifferenz. Die Grund
ursache dieser innerlichen Religionsentfremdung ist vielfach das
Versagen des alten Glaubens in den Konflikten des wirtschaft
lichen und sozialen Lebens. Von dem „Eiapopeia vom Himmel,
womit man einlullt, wenn es greint, das Volk, den großen Lüm
mel“ wollen sie pichts wissen. Sie bedürfen der Kirche flicht
mehr, um inneren Halt und Glauben und hoffende Zuversicht
zu gewinnen. Sie schöpfen all dies aus dem frisch sprudelnden
Quell sozialistischer Betätigung, fordern einen tatwilligen und
tatkräftigen Diesseitsglauben, einen organisierten Willen zur Ver
antwortung gegenüber der Menschheit, zur Arbeit für die
Menschheit. Immer kehrt es wieder: „Ich versichere Ihnen,
daß ich nur durch die Widersprüche in der Bibel und durch die
Eigenschaften, die man dem göttlichen Wesen angedichtet, die
aber mit der Wirklichkeit nicht im geringsten harmonieren,
von dem Glauben an einen persönlichen Gott abgefallen bin.“
Die schlesischen Bergleute haben sich vielfach der Kirche äußer
lich nicht entfremdet. Ein besonders intelligenter schlesischer
Bergmann bestätigt die diesbezüglichen Beobachtungen wie
folgt: „Ich habe mich oft gewundert, wie unsere intelligenten
Bergarbeiter, die regelmäßige Besucher unserer Wahlversamm
lungen sind, trotzdem ,noch allsonntäglich in die Kirche gehen.
Sie sind fast ausschließlich katholischer Religion. Auf meine
Vorhaltung antworten sie immer: Es ist doch nun einmal hier
noch so. Die Pfarrer schimpfen fast immer in ihren Predigten
auf die Sozialdemokraten, auf die schlechte Presse und Ähn
liches. Das nehmen die Bergarbeiter dem Pfarrer sehr übel und
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