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vernehmen, an den geistigen Augen ziehen
muskulöse .Gestalten vorüber. Und kaum
daß der Zug vorüber ist, sehe ich gemes
senen Schrittes einen Greis daherwandeln,
ihm zur Seite ein Jüngling, mit fanatisch
leuchtenden Augen ein Kreuz tragend. Ru
hig und zielbewußt nähert sich der Greis
den Barbaren, und er erzählt ihnen von
einem neuen Gott. Und die naiven Gemüter
lassen sich leicht bewegen und nehmen
seine Lehre an, und siehe da, der Jüngling
pflanzt das Kreuz auf. So brach eine neue
Kulturperiode an, die christliche Religion
erstand, die ein Machtmittel in den Händen
der Unterdrücker werden soll. (2.) [M. S.]
Im Wald. Im grünen Wald. Ich liege und
sinne. Jeder Halm, jedes Blatt, jede Blume
zeigt Leben und spricht zu mir in einer
Sprache, die ich verstehe. Daneben summt
und surrt es in meinen Ohren und gaukelt
mir Bilder vor, welche doch nie für mich
Leben und Gestalt annehmen werden. Ich
schaue von Bergeshöhen auf die Stadt, wo
ein Hasten und Treiben, ein Feilschen und
Betrügen, ein rohes Niederdrücken die Men
schen gegenseitig verfeindet. (2.) [M. S.]
Waldeinsamkeit. Zu Dir ziehts mich so
sehr. Hier sitze ich in tiefem Dickicht auf
einer einsamen Bank. Um mich her tiefes
Schweigen. Von der Stadt ertönen feierlich
die Glocken herüber und rufen die frommen
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M.
Seelen zur Andacht. Bei brausendem Orgel
ton wird das hohe Lied des Herrn gesungen.
Der Pfarrer spricht in salbungsvollen Wor
ten vom ewigen Himmelslohn. Mir läutet
kein Glöcklein, mir predigt kein Pfaff vom
ewigen Leben nach dem Tode, und fühle
mich in der tiefen Waldeinsamkeit so un
aussprechlich selig, so voller Güte, daß ich
mich unendlich reich dünke. (2.) [M. S.]
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Mein Sinn steht immer hinaus auf die
Höhen, wo sich der Blick weitet. Das Weit
schauen giebt mir Ruhe, Überlegenheitsbe
wußtsein, das des Lebens Kleinheiten ver
wischt. (2.) [M. B.]
Wenn ich in den Wald gehe, freue ich mich
über das schöne Grün und ärgere mir, wenn
ein Agrarier kommt. (4.) [M. S.]
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Dann rede ich mit mir selbst in lauten
Tönen, als wenn ich mit fremden Geistern
spräche. (3.) [M. S.]
Dann fühle ich mich freier, leichter und be-:
wundere die innere Gesetzmäßigkeit in der
Wechselwirkung der Gegensätze, in Bewe
gung und Leben der organischen Natur
gern stundenlang. Doch wenn diese Har
monie der Gedanke stört: Nun zurück in
die Tretmühle des menschlichen Daseins
kampfes mit seinem unsäglichen Elend,
dann steigen die Tränen der Empörung in
mir hoch. (1.) [M.B.]
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