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losoph kommen und einfach umwerten. Höchstens Dogmen
lockern.“
Ein Hausierer, jetzt Schlosser: „Ich kann es verstehen,
weshalb Nietzsche den Zarathustra brauchte. Weshalb sagt
Nietzsche nicht: Ich bin Zarathustra? Weshalb das zweifel
hafte Wort „Tugend“? Drängt nicht unser Inneres, unser ganzes
Triebleben nach Harmonie, nach Schönheit? Können wir tu
gendhaft sein? Reste aus dem Christentum. Wer Nietzsche
verstehen kann, hat schon eine Grundlage dazu in sich. Man
soll ihn nicht kritisieren. Mein Empfinden war überdies immer:
Wer ihn versteht, wird ihn unzertrennt hinnehmen. Die prak
tische Seite des Lebens sucht den .ganzen Nietzsche, auch in
dieser Hinsicht, zu rubrizieren, und da ist es mir sehr erklär
lich, warum Nietzsche sich nicht in die Sozialistenmenge hinein-
begiebt. Letztere bekämpft in ihrem Ziel nur die Hemmnisse
und Verkehrtheiten, die den vom Tier abgestammten Menschen
an der Gelegenheit hindern, sich auszuleben und seine Form
dadurch zu entwickeln. Diese Hindernisse bestehen zumeist
in sehr realen menschlichen und unmenschlichen Dingen und
entwickelten Zuständen, in die hineinzugreifen für dieses reine
Genie Nietzsche eine demütigende Forderung wäre.“
„Nietzsche erscheint mir die Verkörperung des Übermen
schen, der es fertig brachte, frei von aller Metaphysik und über
die eigenen Instinkte hinaus die letzten Konsequenzen auszu
denken. Ich liebe die Nietzschemenschen, die mit frohem Ge-
genwartsverstande heiter die Erde beleben, die dareinpassen,
wie eine harte Erika in die Heide. Ich folgte ihm treulich,
trage eine ganze Bibliothek im Kopf herum, da ich keinen
Freund fand, der das gleiche Empfinden teilte. So leide ich
innerlich an dem Ballast Nietzscher Theorien, die nur unter
drückte, gepeinigte Kraft bedeuten.“
Ein Fraiser: „Ich habe Nietzsche gelesen mit dem bekann
ten heißen Bemühn, das Buch aber aus der Hand gelegt mit
dem Gedanken: Ich habe nicht nötig, mich in dieses Ge
dankenlabyrinth hineinzuzwängen. Wenn ich Stimmungen habe,
welche meine Seele zu den sogenannten Höhen tragen, dann
kommt gleich hinterher das bittere Empfinden, als Anhängsel
der Maschine und als bloßes Pflichttier ist Nietzsche .über
flüssig. Der Prolet ist am glücklichsten, wenn er nicht denkt.“