Essigäther
111
Essigsäure
kohol in Essigsäure übergegangen ist. Mit zehn
Bildnern können täglich etwa 7501 Essig erzeugt
werden. Weinessig wird meist nach dem
alten, sog. langsamen oder Orleansver-
fahren hergestellt, weil das Aroma bei der
Schnellessigfabrikation zu sehr leidet, ln den
Weinbau treibenden Ländern, besonders Frank
reich, setzt man zu dem in offenen Fässern be
findlichen Essig kleine Portionen Wein hinzu,
wartet 8—14 Tage, bis der Wein in Essig über
gegangen ist, und fährt so fort, bis das ganze Faß
gefüllt ist. Mit dem Übergange der Weinessig
fabrikation nach Deutschland verringerte sich der
Weingehalt allmählich immer mehr, bis schließ
lich selbst gewöhnlicher Spiritusessig als Wein-
E. in den Handel kam. Zur Verhinderung der
hiermit verbundenen Übervorteilung des Publi
kums ist von verschiedenen Behörden, u. a. dem
Sächsischen Ministerium des Innern verordnet
Worden, daß Weinessig aus einer mindestens
20 0/0 Wein enthaltenden Maische hergestelllt sein
muß. Reiner Weinessig soll seinen Säure
gehalt hingegen lediglich dem Weine verdanken.
Diese Forderungen sind von den reellen Fabri
kanten durchaus anerkannt worden, Bier- und
Obstessige sind von untergeordneter Bedeutung,
hingegen nimmt der Verbrauch der aus Holzessig
gewonnenen Erzeugnisse (s. Essigsäure) bestän
dig größeren Umfang an. Der nach dem einen
oder dem anderen Verfahren dargestellte E. ent
hält die charakteristischen Bestandteile seines
Ausgangsmaterials (z. B. Wein), die ihm beson
dere Eigenschaften verleihen. Hingegen versteht
man unter Essig schlechthin oder unter Speise
essig lediglich eine verdünnte Essigsäure, gleich
gültig, ob sie auf dem Wege der Gärung oder der
Destillation gewonnen wurde. Den von den Fa
brikanten des Gärungsessigs aufgestellten Forde-
r ungen nach einer Beschränkung des Verkehrs
mit Essigessenz kann nur insofern zugestimmt
Werden, als für derartige konzentrierte Essigsäure
die Aufschrift „Vorsicht, nicht unverdünnt ko
sten“ verlangt werden muß. Im übrigen soll
Bpeiseessig im allgemeinen 3,5o/o, keinesfalls unter
3% Essigsäure enthalten und klar sein. Durch
Essigälchen oder Pilzwucherungen getrübter Essig
'st zu beanstanden. Giftige Metalle, scharf schmek-
kende-Stoffe, Holzteerbestandteile, freie Mineral-
sauren und Konservierungsmittel dürfen nicht zu-
Sogen sein. Nach der Verordnung des Sächsi
s chen Ministeriums des Innern soll Weinessig
5 % Essigsäure enthalten, eine etwaige Färbung
a "ßer durch Rotwein ist zu deklarieren.
. Essigäther (Essigester, Essig • Naphtha,
'^thylazetat, lat. Aether aceticus, frz. Ether acd-
f'lue, engl. Acetic ether), in chemischer Hinsicht
dor Äthylester der Essigsäure, CH 3 .COOC 2 H5,
Endet sich in geringer Menge in einigen franzö
sischen Weinen sowie dem daraus gewonnenen
Eognak und Weinessig. Zur künstlichen Dar-
st ellung destilliert man Essigsäure oder frisch
Entwässertes Natriumazetat mit Schwefelsäure
u "d Alkohol, schüttelt das Destillat mit gesät-
bgter Kochsalzlösung und etwas Natriumkarbonat.
r ?ktiffziert und trocknet es schließlich mit Kal-
i mmchlorid. Der E. ist eine farblose, leicht
Entzündliche, neutrale Flüssigkeit von angenehm
^frischendem Geruch. Das spez. Gew. liegt bei
0, °99, der Siedepunkt bei 72,8°. Schüttelt man
E. mit dem gleichen Vol. Wasser, so nimmt so
wohl das letztere von dem Ester, wie auch der
Ester von dem Wasser auf. Bei der Berührung
mit Luft nimmt der E. saure Reaktion an, indem
er allmählich in Alkohol und Essigsäure ge
spalten wird. Im Handel unterscheidet man
mehrere Sorten. Die stärkste und reinste, die
meist nur für medizinische Zwecke benutzt wird,
ist der absolute E. (Aether aceticus absolutus)
mit dem spez. Gew. 0,900—0,904. Die zweite
Sorte vom spezj Gew. 0,890 nennt man doppelt
destillierten E.(bisrectificatus) und die schwäch
ste vom spez. Gew. 0,875 Aether aceticus
rectificatus. Für die Prüfung ist die Bestim
mung des spez. Gew. von geringer Bedeutung,
und es empfiehlt sich daher, das Wasserauf
nahmevermögen zu ermitteln, weil hierdurch ein
Zusatz von Wasser oder Alkohol leicht erkannt
wird. Das Deutsche Arzneibuch schreibt vor,
daß ein Raumteil Wasser nach kräftigem Schüt
teln mit einem Raumteil E. bei 15 0 höchstens um
den zehnten Teil zunehmen soll. Beim Verdun
sten auf Filtrierpapier darf E. keinen Geruch
nach fremden Äthern (Butteräther, Amylazetat)
hinterlassen. Der E. wird in der Medizin als an
regendes Mittel bei Ohnmacht und Magenkrampf,
äußerlich zum Einreiben bei Rheumatismus und
als Riechmittel angewandt. Die Industrie benutzt
ihn als Zusatz zu Fruchtessenzen, Essig u. dgl.
Zur Aufbewahrung sind wohlverschlossene, völlig
gefüllte und nicht zu große Flaschen zu ver
wenden, zum Versand Blechflaschen oder Glas
ballone.
Essigsäure (lat. Acidum aceticum, frz. Acide
acdtique, engl. Acetic acid) kommt in der Natur
teils frei, teils an Salze gebunden, im Safte vieler
Pflanzen, im Schweiß und in der Muskelflüssig
keit vor und bildet außerdem das saure Prinzip
des Essigs (s. d.). Zu ihrer Darstellung bedient
man sich, abgesehen von den Methoden der
Essiggärung, des Natriumazetats, weiches durch
Sättigung von Holzessig (s. d.) mit Soda ge
wonnen und zur Entwässerung bei 300 0 ge
schmolzen worden ist. Nach dem Erstarren
wird das nunmehr völlig wasserfreie Azetat mit
arsenfreier Schwefelsäure vom spez. Gew. 1,842
in tubulierter Retorte der Destillation unter
worfen, wobei zuerst eine etwas wasser- und chlor
haltige Säure übergeht. Sobald die reine E.
kommt, wird die Vorlage gewechselt und das
Destillat so lange aufgefangen, bis zum Schluß
bei höherer Temperatur schweflige Säure auftritt.
Auch durch Elektrolyse wäßriger Natriumazetat-
lösungen mit eisernen Elektroden wird neuer
dings E. in großem Maßstabe dargestellt. — Die
reine konz. E., gewöhnlich Eisessig (lat.
Acidum aceticum glaciale, frz. Vinaigre glacial,
engl. Glacial acetic acid) genannt, ist eine klare,
farblose, stechend sauer riechende und stark
ätzende Flüssigkeit von der Formel CH 3 . COOH,
die bei 16 0 zu farblosen rhombischen Tafeln er
starrt und bei 118 0 unter Entwicklung leicht
entzündlicher Dämpfe siedet. Das spez. Gew.
beträgt 1,0553. Mit Wasser, Glyzerin, Alkohol
und Äther ist Eisessig in jedem Verhältnis misch
bar. Beim Verdünnen mit Wasser steigt das
spez. Gew. zunächst infolge einer Hydratbildung
und fällt dann wieder, so daß eine Saute mit
43 0/0 E. dasselbe spez. Gew. besitzt, wie der