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recht schroffe Verurteilung der Adam Smithschen Kapitalstheorien:
erstens auf die Begründung des Kapitalzinses, d. h. auf die Frage,
inwiefern das Kapital produktiv sei, und zweitens auf die Quelle, aus
der der Kapitalgewinn des Unternehmers stammt. Recht geben
können wir Böhm-Bawerk nur darin, daß Adam Smith sich mitunter
einer etwas ausführlicheren und deutlicheren Ausdrucksweise hätte
bedienen können, um alle Mißverständnisse auszuschließen, aber in
der Sache an sich können wir uns mit seinen Einwendungen nicht
einverstanden erklären.
Der erste Vorwurf, den er Adam Smith macht, lautet 1 ), Smith
habe überhaupt keine bestimmte Kapitalzinstheorie aufgestellt, sondern
behauptet, der Zins sei nur daraus zu erklären, daß der Kapitalist
sonst kein Interesse daran hätte, sein Kapital in der produktiven Be
schäftigung von Arbeitern zu verwenden. Aus den von Böhm-
Bawerk angeführten Stellen des „Wealth of Nations“ läßt sich dem
nichts entgegenstellen, er hat aber die Stelle übersehen, in der Adam
Smith den wahren Grund des Kapitalzinses, der in der Produktivität
des Kapitals liegt, angibt, allerdings sehr kurz und ohne dies näher
zu betonen. Diese Stelle findet sich im ersten Kapitel des ersten
Buches 2 ). Wir meinen die Worte: „Drittens und letztens muß jeder
sehen, wie sehr die Arbeit durch Anwendung geeigneter Maschinen
abgekürzt wird.“ — Maschinen hier natürlich im weitesten Sinne des
Wortes— 8 ). Hierin, in der Erleichterung und Abkürzung der vorher
nötig gewesenen Arbeit durch die Maschinen, d. h. des Kapitals, liegt
die Begründung des Kapitalzinses. Danach ist es natürlich nur selbst
verständlich, daß der Eigentümer des Kapitals für dessen produktive
Tätigkeit einen Gew'inn erhält. Böhm-Bawerk hat somit den vor
letzten Grund für den letzten angesehen und so dem Adam Smith
eine Kapitalstheorie zugeschrieben, die auf derselben Stufe wie die
Turgotsche stehen würde 4 ); die oben aus dem ersten Kapitel zitierte
Stelle beweist aber die Unhaltbarkeit seiner Vorwürfe.
*) v. Böhm-Bawerk, Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien, Innsbruck
1884, S. 81.
2 ) Smith, a. a. 0., I, 11 Zeile 20, S. 13 Zeile 19 ff.
s ) Ders., a. a. 0., I, 13.
4 ) Turgot, a. a. 0., § 74: „Der Kapitalist kann den Zins fordern aus dem
Grunde, weil sein Geld ihm gehört; .... nichts verpflichtet ihn es auszuleihen;
wenn er es dennoch ausleiht, so kann er es unter jeder Bedingung tun, die ihm
paßt.“ Böhm-Bawerk (Smith) a. a. 0., S. 81: „Ein Kapitalgewinn muß existieren,
weil sonst der Kapitalist kein Interesse daran hätte, sein Kapital in der produktiven
Beschäftigung von Arbeitern zu verwenden.“