I. DIE ÄUSSEREN MERKMALE DES STAATES 241
Kolonisation Mittel- und Südamerikas durch die Spanier und Portugiesen, denen
sich später auch andere, namentlich romanische Auswanderer anschließen. Bis
zum Beginn des 17. Jahrhunderts bleibt Südamerika das Hauptziel der euro-
päischen Auswanderung. Dann aber treten an seine Stelle Nordamerika
und seit dem 18. Jahrhundert daneben auch Australien und Südafrika. Holland
und England schaffen sich in dieser Zeit große Kolonialreiche und bevölkern
die neuerworbenen Gebiete mit ihrer Auswanderung, um so schneller, als die
klimatischen Verhältnisse der neuen Erwerbungen zu einem großen Teil auch
dem germanischen Auswanderer für den dauernden Aufenthalt keine Schwierig-
keit bereiten. — Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts schwillt mit der schnellen
Besiedlung der Neuen Welt die europäische Auswanderung, namentlich aus
den germanischen Ländern, ungeheuer an. Großbritannien und danach
Deutschland stellen die Hauptmasse der Auswanderer, Seit den achtziger
Jahren ist indes die deutsche Auswanderung sehr stark zurückgegangen, wäh-
rend die aus Österreich-Ungarn, Rußland, Spanien und Italien bedeutend zu-
genommen hat. Die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, die der verlorene
Krieg für Deutschland gebracht hat, ließen die Auswanderung in den letzten Jahren
wieder gewaltig an-
wachsen, und im
Jahre 1923 erreich-
te sie mit rund
116000 Auswande-
rern eine Höhe, die
3ie seit 1892 nicht
wieder gehabt hat-
te. Seitdem hat
die langsame Bes-
serung der Verhält-
nisse die Zahl wie- 2 29
der sinken lassen, Wr ! V
6 bewegt sich in 202. Die Auswanderung aus Deutschland 1871—1927,
den letzten Jahren Sa Ch ram EM in s
Die starke Linie gibt die Einwohnerzahl in Millionen für dieselbe Zeit an.
am 60000 herum.
Den gewaltigen Umfang jener europäischen Abwanderung lehrt die Tat-
sache, daß in der Zeit von 1820 bis 1920 allein in die Vereinigten Staaten
gegen 33.2 Millionen Menschen eingewandert sind.
Ohne diese gewaltigen Zuströme von Einwanderern wäre der wirt-
schaftliche, kulturelle und politische Aufstieg der nordamerikanischen
Länder nicht denkbar gewesen. Im 20. Jahrhundert ist dieser Zustrom
nicht nur wesentlich schwächer geworden, sondern er hat sich auch
in seiner rassenmäßigen Zusammensetzung insofern geändert, als neben
dem germanischen und romanischen Element in immer stärkerem Maße
das slawische in der Einwanderung auftrat, eine Wandlung, die dem
amerikanischen Volke offenbar nicht erwünscht erscheint. Dazu kommt,
daß infolge der starken Eigenvermehrung der Bevölkerung Amerika
heute einer starken Zuwanderung nicht mehr bedarf. So sehen wir
gegenwärtig die Vereinigten Staaten in einer gewissen Abwehrstellung
nicht nur gegenüber der chinesischen und japanischen, sondern auch
gegenüber der europäischen Einwanderung, die sie durch die Festsetzung
bestimmter Einwandererquoten für die einzelnen europäischen Länder
gesetzlich beschränkt und durch genaug Kontrolle der gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse der Einwanderer erschwert.
Reinhard. Erdkunde.
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