Full text: Weltwirtschaftliche und politische Erdkunde

36 ERSTER TEIL: GEOGRAPHISCHE GÜTERLEHRE 
während die Ausfuhr der Union infolge ihrer schnell wachsenden Be- 
völkerungsdichte (s. Abb. 204, S. 244) trotz riesiger und immer steigender 
Erzeugung sogar allmählich zurückging. Während des Krieges hat 
sich die Bedeutung der beiden Großversorger-Staaten im Norden und 
Süden der Neuen Welt noch gewaltig erhöht. Namentlich Kanada 
hat durch Ausdehnung seines Getreidebaus nach Norden "und in die 
westlichen Provinzen seine Erzeugung riesenhaft vermehrt und seine 
Ausfuhr verdreifacht, während die Vereinigten Staaten die durch den 
Ausfall Rußlands entstandene Konjunktur nur in viel geringerem 
Maße auszunützen vermochten. 
Alle diese Länder sind aber nach Größe und Bevölkerungszahl 
sehr verschieden, und wir erhalten deshalb ein richtiges Bild von 
der Ausfuhrleistung der betreffenden Staaten erst, wenn wir die aus- 
geführte Menge auf den Kopf der Bevölkerung berechnen. Das ist in 
den letzten Spalten der Tabelle geschehen. Deren Zahlen zeigen 
noch deutlicher die Leistungen Kanadas und Argentiniens. Ihnen 
folgen erst in weitem Abstand Australien, Ungarn, Rumänien und 
Tunesien, während die Union erst‘ an achter und Rußland an zehnter 
Stelle stehen. 
In der Übersicht der Einfuhrländer fällt auf, daß sie sich fast 
ganz aus europäischen Staaten zusammensetzt. Obenan stehen der 
absoluten Menge nach die großen europäischen Industriestaaten mit 
ihrer dichten Bevölkerung. Eine zweite Gruppe von KEinfuhrländern 
bilden die klimatisch für den Körnerbau ungünstigen nordischen 
Staaten, eine dritte die mittelmeerischen Gebiete, in denen die lang 
anhaltende Sommerdürre den Getreidebau erschwert und außerdem der 
ausgedehnte Wein- und Südfruchtbau große Flächen dem Körnerbau 
entzieht, eine vierte endlich die zum großen Teil dem Hoch- und Mittel- 
gebirge angehörigen Staaten Österreich und die Schweiz. Hinsichtlich der 
Einfuhr ist die Berechnung auf den Kopf der Bevölkerung besonders 
wichtig, weil sie zeigt, in welchem Maße jeder einzelne Einwohner des 
betreffenden Staates auf die auswärtige Zufuhr angewiesen ist. 
Bei der großartigen Entwicklung unserer heutigen Verkehrsmittel, 
durch die ein Ausgleich zwischen Bedarf und Überfluß selbst auf 
weite Entfernungen hin mit großer Schnelligkeit und Regelmäßigkeit 
gewährleistet wird, ist die Welternährung in normalen Zeiten gesichert. 
Daß aber das Gespenst der Hungersnot auch aus dem Wirtschafts- 
leben der europäischen Kulturvölker noch nicht als verbannt gelten 
kann, haben die Zeiten des großen Krieges und die ihm folgenden 
Jahre nur zu deutlich gelehrt. 
Deutschlands Getreideversorgung. Deutschland hat bis zur Mitte 
des 19. Jahrhunderts seinen Bedarf an Roggen und bis zur Mitte der 
siebziger Jahre den an Weizen selbst erzeugt. Die mit zunehmender 
Industrie schnell wachsende Bevölkerung machte dann eine Einfuhr 
fremden Getreides in steigendem Maße nötig. Gleichzeitig aber be- 
mühte man sich, die eigene Erzeugung durch Kultivierung von Weide-, 
Moor- und Sumpfgebieten sowie durch Erhöhung der Hektarerträge 
zu vergrößern. Das hatte in der Tat den Erfolg, daß vom Jahre 
1889 an die Mehreinfuhr an Roggen wieder abnahm, bis im Jahre
	        
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