— Staats-Gesellschaft, Rechts-Gesellschaft und Wirtschafts-Gesellschaft. 539
logie“ in der Absicht, die „Rechtswissenschaft“ vor der „Soziologie“
zu bewahren, ein Zeichen der erstaunlichen Verwirrung, welche gegen-
wärtig in der „Allgemeinen Rechtslehre“ obwaltet. Als „juristischer
Positivismus“ wird freilich auch jene Zergliederung von „Rechtssätzen“
betrachtet, welche sich als „Auslegung“ von „Rechtssätzen“ darstellt.
Die „Auslegung“ von „Rechtssätzen“ .ist aber nur insoweit „Rechts-
wissenschaft“, als sie die „Besonderheiten des Beanspruchten“
hinsichtlich solcher Ansprüche bestimmt, von welchen bereits vor der
Auslegung gewußt ist, daß sie „Rechtssätze“ sind, während die „Aus-
legung‘“ irgend welcher Sätze allein niemals zu dem Ergebnisse führen
kann, daß sie „Recht‘“ darstellen, weil sonst bereits etwa mit jedem
„Entwurfe‘“ eines „Bürgerlichen Gesetzbuches‘ „positives Recht‘ vor-
handen wäre. In der methodologischen Forderung, die Fragen der
Rechtswissenschaft durch Zergliederung von ‚„„Rechtssätzen‘“ zu beant-
worten, wird eben nicht nur übersehen, daß man doch erst wissen
müsse, welche „Sätze“ „Rechtssätze‘ sind, sondern wird noch „Rechts-
wissenschaft“ als Wissenschaft vom „Wesen des Rechtes“ mit „Rechts-
wissenschaft‘ als ‚Wissenschaft von Besonderheiten des mit besonderen
Rechtssätzen Beanspruchten‘‘ verwechselt.
Steht man aber nicht zu der scheinbaren Gleichung „Staat== Recht“,
sondern zur wahren Ungleichung „Staat-Recht“, steht man also auch
zu der Ansicht, daß keineswegs alle „Staatsherrscherbefehle“ „Recht“
sind, so erhebt sich dann die wahre Grundfrage der „Allgemeinen
Rechtslehre“, nämlich jene nach dem Wesen des Gegebenen „Recht“,
eine Frage, die gar nicht „positivistisch“ beantwortet werden kann,
wenn man nämlich mit dem — reichlich vieldeutigen — Worte „Po-
sitivismus“ nur „Staatsherrscherbefehle“ meint. Die Untersuchungen
über den „Rechtsbegriff“ kennen nur die Alternative „staatlich ge-
setztes Recht‘ = „positives Recht“ — „Naturrecht‘ (‚‚Vernunftrecht‘‘),
und das „Naturrecht‘“ („‚Vernunftrecht‘‘) ist der Gegenstand der „idea-
listischen Rechtslehre‘‘, welche nicht zu der Gleichung „Recht == be-
sonderer Staatsherrscherbefehl“ oder „Recht == Staatsherrschaft‘‘, son-
zu der Gleichung „Recht=Gerechtigkeit“ steht. Es würde den
Rahmen einer „Allgemeinen Gesellschaftslehre‘‘ bei weitem überschreiten,
eine klare Antwort auf die Frage nach dem Wesen des Gegebenen
„Gerechtigkeit‘‘ zu suchen. Nur der „logische Ort“ mag hier auf-
gezeigt werden, an welchem sich die Frage nach der „Gerechtigkeit“
erhebt. Als „sittliches Verhalten‘ haben wir ein „richtiges bzw. quasi-
fichtiges Verhalten mit sittlicher Gesinnung“ bestimmt, also jenes ‚,Ver-
halten mit sittlicher Gesinnung“, welches die Bedingung für die in jenem
Verhalten-Seelenaugenblicke gedachte Verbesserung des eine andere
Seele betreffenden Interessengesamtzustandes oder die Wider-Bedingung
für die in jenem Verhalten-Seelenaugenblicke gedachte Verschlechterung