Full text: Einführung in die Kriegswirtschaftslehre

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dies nicht die einzige Methode ist, Zeichengeld zu 
erzeugen. Soweit man die gegenwärtige Ordnung 
der Dinge zu überblicken vermag, muß man wohl 
annehmen, daß in einem großen Zukunftskrieg die 
Schaffung von Zeichengeld eine erhebliche Rolle 
spielen kann. 
I Beginnen wir mit der Schaffung von Noten. 
Dieselben können von der Bank gedruckt und dem 
Staat geliehen werden, sie können auch unmittel 
bar vom Staat ausgehen, für den praktischen 
Erfolg ist das im wesentlichen dasselbe. Wir 
wollen diese Unterschiede zunächst vernach 
lässigen und uns fragen, was denn überhaupt die 
Schaffung von Zeichengeld bedeute ? Dadurch 
daß Geld erzeugt wird, wird ja die Menge der 
vorhandenen Güter zunächst nicht vermehit. Um 
alles vorhandene Geld kann man ja nie mehr 
j Waren kaufen, als auf dem Markte vorhanden 
sind. Das Drucken von Noten verändert daher nur 
die Verteilung der Güter. Betrachten wir die Tabelle 
XIII, die der Tabelle XII nachgebildet ist, so 
sehen wir, wie die Schaffung von Zeichengeld 
durch 4ie Regierung im Ausmaße von 30 Noten 
mengen die vorhandene Geldmenge verdoppelt. 
Wenn die Regierung keine Noten emittiert, so 
zirkulieren die Güter, wie dies Fall I uns zeigt. 
Die Produkte a, b, c kosten je 10 Notenmengen. 
Nun kommt die Regierung auf den Markt und 
im Fall II stehen den drei Warenmengen 60 Noten 
mengen gegenüber. Wir wollen der Einfachheit 
halber annehmen, daß die Regierung ebenfalls 
von jeder Produktionsmenge gleichviel zu kaufen 
wünscht. Die Bürger können mit 30 Notenmengen 
auftreten, die Regierung ebenfalls mit 30 Noten 
mengen. Es ist durchaus verständlich, wenn die 
Regierung die Hälfte der Waren erhält, die an 
dere Hälfte die Bürgerschaft. Nach Abwicklung 
der Kaufgeschäfte zwischen Bürgern und Regie 
rung und der Bürger untereinander besitzt jeder 
Bürger 20 Notenmengen, von denen 10 von einem 
der anderen Bürger herrühren, 10 von der Re 
gierung. Der Preis der Waren ist also von 10 
Notenmengen auf 20 Notenmengen gestiegen. 
Es fragt sich nun, welche soziale Bedeutung 
es hat, wenn der Staat durch eine Notenemission, 
wie in unserem Falle, die Bürger besteuert — 
denn was wir hier geschildert haben, läuft schließ 
lich auf ein 50%ige Besteuerung hinaus — und 
dadurch die Preise in die Höhe gehen. Wir setzen 
dabei zunächst voraus, daß die Notenemission 
keine Produktionsvermehrung zur Folge, hat oder 
gerade zur Zeit einer Produktionsvermehrung er 
folgt, sondern nehmen an, daß die Produktenmenge 
vor und nach der Notenemssion gleich groß ist. 
Wenn man sieht, daß die Waren teurer wer 
den, die Kaufkraft des Geldes also sinkt, dann 
hört man oft Klagen über das «schlechte» Geld, 
welches nun zirkuliert und es gibt nicht wenige, 
Welche immer wieder hervorheben, wie notwendig 
«gutes» — damit meinen sie kaufkräftiges — 
Geld für die Gesamtheit sei. Derartige Aeußerun- 
gen findet man in Zeitungen aller Richtungen, 
auch zuweilen in solchen, deren Leserkreis eigent 
lich gar nicht am «guten» Geld interessiert ist. 
Man kann nämlich nicht allgemein sagen, daß 
die Bevölkerung gewinnt, wenn die Kaufkraft des 
Geldes steigt, und verliert, wenn die Kaufkraft 
des Geldes sinkt. Wie müssen in diesem Falle, 
wie so oft, genau differenzieren und die Bevöl 
kerung in verschiedene Gruppen sondern. 
Ich will das an einem schematischen Beispiel 
erläutern. Ich trenne die Bevölkerung zunächst in 
Gläubiger und Schuldner. Zur ersten Gruppe 
gehören die Banken, welche Hypothekenforderun 
gen in Händen haben, die Kontokorrentkredite 
gewährten oder andere Ansprüche an Dritte be 
sitzen, zu dieser Gruppe gehören aber auch alle 
Pensionisten, alle Witwen und Waisen, die be 
stimmte Rentenansprüche haben, zur zweiten Gruppe 
gehören alle Hypothekenschuldner, aber zum Bei 
spiel auch der Staat, der die Kupons der Staats 
papierbesitzer bezahlen muß. 
Setzen wir nun weiter voraus, die Gläubiger 
und Schuldner seien produzierende Individuen, 
Industrielle oder Landwirte, und zwar produziere 
jeder, wie dies auch aus Tabelle XIV zu entnehmen 
ist, 100 Stück irgendwelcher Güterart, Tuch, 
Getreide usw. Wir nehmen zunächst an, daß die 
Kaufkraft m sei und berechnen für den Schuldner 
nun die Selbstkosten, den Erlös und den Rein 
gewinn der Produktion vor Abzug der Schulden. 
Dann subtrahieren wir die Schulden und kommen 
zum Geldeinkommen des Betreffenden. Dies ge 
nügt uns aber nicht, da wir ja mit Aenderungen 
der Kaufkraft zu rechnen haben, gestattet doch 
dasselbe Geldeinkommen bei wachsender Kauf 
kraft des Geldes mehr Güter zu kaufen als bei 
sinkender. Den einzelnen Bürger interessiert es 
aber wenig, wie viel Geld er einnimmt, sondern 
was er sich dafür kaufen kann — die Höhe 
seines Realeinkommens. Wenn alles doppelt 
so teuer geworden ist und das Geideinkommen 
konstant blieb, so ist er halb so arm als früher. 
Ich nehme der Einfachheit halber an, daß nur ein 
Konsumgut in Frage steht, dessen Normalpreis 
5 sei. Wir sehen, daß unter den von uns ge 
machten Voraussetzungen das Realeinkommen 
des Schuldners 6 Stück beträgt, wenn wir die 
normale Kaufkraft m annehmen. Das Real 
einkommen des Gläubigers beträgt dagegen im 
gleichen Fall 14 Stück. Ich möchte mit besonderem 
Nachdruck darauf hinweisen, daß bei kriegs- 
wirtschaftlichenBetrachtungen dem Realeinkommen 
immer besonderes Augenmerk zuzuwenden ist. 
Es ist immer von Wichtigkeit, aber man kann 
es in normalen Zeiten eher vernachlässigen, wenn- 
die Preise einigermaßen konstant sind, nicht aber 
in Kriegszeiten, in denen die Preise stark 
schwanken. Freilich ergeben sich bei der Fest 
stellung des konkreten Realeinkommens, das sich 
aus vielen Gütern zusammensetzt, prinzipielle 
Schwierigkeiten, auf die ich hier nicht näher ein- 
gehen kann. Nun denken wir uns die Kaufkraft des 
Geldes auf das Doppelte gestiegen. Was bedeutet
	        
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