Full text: Ernährungswirtschaftliche Gegenwartsprobleme in Österreich

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daß bei einer Versorgung vvii 60 Millionen Menschen in Deutsch 
land die sieben Millionen Österreicher schlecht nnd recht noch mit- 
kommen könnten. Sicherlich ist auch in Deutschland die Lage gespannt, 
aber der deutsche Ernährnngsminister kann wenigstens insoweit ruhig 
schlafen, als er nicht stündlich die einlaufenden Waggons dahin zählen 
muß, ob für die nächste Woche Brot genug da ist. 
Kann ein solches Land, in dem die tägliche llnsicherheit der 
nackten Lebensmöglichkeit an den Nerven der Bevölkerung zerrt, zur 
Arbeit kommen? 
Und trotzdem, wie immer sich unser Schicksal gestalten wird, 
wir müssen arbeiten, mir müssen insbesondere trachten mehr zu pro 
duzieren, einerseits um die unproduktive, Konsumzwecken dienende Ein- 
iuhr- Herabdrücken, andererseits um mehr Jndustrieprodukte für die 
Ausfuhr zur Bezahlung unserer Einfuhr erzeugen zu können, 
Die Produktionssteigerung ist der erste Weg, aus dem 
das Problem, wen» auch nicht gelöst, doch entknotet werden 
kann. Wir dürfen nicht die Hände in den Schoß legen nnd 
warten, bis irgend jemand hilft. 
Ein produktionspolitisches Programm zu entwerfen liegt nicht 
iiu Rahmen dieses Vortrages, aber es ist klar, daß in erster Linie alles 
getan werden muß, um zunächst die landwirtschaftliche Produktion, insbe 
sondere den stark zurückgegangenen Getreidebau, sowohl was die Anbau 
fläche als ihren Ertrag betrifft, wieder auf die Friedenshöhe und darüber 
hinaus zu bringen.*) Ganz kursorisch mochte ich nur darauf hinweisen, 
daß besonders zur Behebung des Leutemangels auf dem Lande die 
Mobilisierung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte**), dann eine Inten 
siviernng der Produktion im Wege der Meliorisatiou und Kommassie 
rung, des Ausbaues der Genossenschaften, der stärkeren Verwertung der 
Die Hebung der Ertragsfähigkeit unseres Bodens ist anzustreben und 
erreichbar. In den Gebieten des jetzigen Österreich betrug nach der amtlichen 
Statistik der durchschnittliche Hektarertrag in den Jahren 1908 bis 1912 in 
Weizen 135, in Roggen 13'3 Meterzentner, im letzten Jahre kaum 10 Meter 
zentner. In Deutschland betrng der Hektarertrag in den Jahren 1908 bis 1912 
in Weizen 20'7, in Roggen 17'8 Meterzentner. Deutschland hat im Jahre 1913 
nach Angaben des Kalisyndikats aus einem Quadratkilometer nutzbaren Bodens 
1529 Kilogramm Kali, das alte Österreich-Ungarn 114 Kilogramm ver 
wendet. 
**) Siehe die Vorschläge des Direktors Albert Geßmann jun., „Zurück 
zur Scholle", Wien, Kommissionsverlag Frick, 1919. .
	        
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