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heraus. Darin sind wir viel schlechter daran als Deutschland, das die
Grundlagen seiner Ernährung in der eigenen Produktion besitzt,
während wir weitaus' den größten Teil unseres Nahrungsmittelbedarfcs
importieren müssen; daher kommen die phantastischen Beträge, deren
ivir für unsere Lebensmitteleinfnhr bedürfen.
Bei dein heutigen Kronenknrse kann der Staat ohne Kredit den
Einfuhrbcdarf überhaupt kann, mehr bestreiten. Der Tiefstand unserer
Krone stellt uns oor eine Mauer, die den Einkauf von Lebensmitteln
fast unmöglich macht.
Angesichts der Tatsache, daß durch die staatliche Einfuhrtätigkeit ,
des Staates, sei cs nun mit oder ohne Kredithilfe, der Nahrungsbcdarf
der Bevölkerung nur unzureichend befriedigt werden kann, wird die '
Forderung erhoben, dem Handel die Einfuhr unbeschränkt
freizugeben und alle Beschränkungen, denen die Einfuhr im Kriege
und teilweise bis jetzt unterworfen !var, aufzuheben. Wie beziiglich der
inneren Wirtschaft, wird behauptet, daß nur bei voller Freiheit der
Handelstätigkeit, nur durch Aushebung aller Beschränkungen der Einfuhr
eine Besserung unserer Ernährungsvcrhältnissc eintreten könne. Wie
hinsichtlich der inneren Wirtschaft, stehen sich auch ans dem Gebiete
des Verkehres mit dem Auslande Anhänger und Gegner der freien
Wirtschaft und des freien Handels gegenüber.
Wenn man zu dem Problem: Freie, gebundene oder kontrollierte
Einfuhr, Stellung nehmen will, erscheint es weder" erlaubt, dieses
Problem etwa aus dem Gesichtspunkte der Abneigung gegen den
Handel, als eines überflüssigen, nicht produktiven Faktors im Erwerbs
leben zu behandeln — ist doch zu hoffen, daß gerade Österreich und
speziell Wien im internationalen Verkehr und im Verkehre mit den
Snkzcssionsstaatcn untereinander eine prominente Stellung erringen
und einnehmen wird - - cs erscheint aber auch nicht zulässig, daß das
Problem rein vom Interessen- oder Jnteressentenstandpunkte aus
behandelt werde. Darüber, daß auch diejenigen, die heute gegen den
völlig freien Verkehr mit dem Auslande sind, nicht prinzipielle Gegner
der freien Wirtschaft, der freien Betätigung, des freien Handels sind
und auch nicht sein wollen, besteht kein Zweifel. Nur die Freiheit der
Betätigung erzeugt Fortschritt und Wohlfahrt. Wir können ja nicht in
die Zünftelei des Mittelalters zurückfallen wollen. Aber ich habe heute
schon einmal von der Relativität wirtschaftlicher Lehren gesprochen und
es gibt eben Zeiten, wo auch siegreiche Fahnen eingerollt werden
müssen.