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nicht nur verklagt werden, sondern auch selbst
klagen. Dieses Rlagerecht ist wichtig, namentlich
zur Durchführung der Bestimmungen eines Tarif
vertrages den Mitgliedern gegenüber, unter der
Voraussetzung, daß der § 152 G. CD. in der an
gedeuteten weise geändert wird.
Die Rechtsfähigkeit kann u. L. den Berufs
vereinen verliehen werden, ohne daß es eines neuen
Gesetzes oder einer durchgreifenden Änderung eines
bestehenden Gesetzes bedürfte. Die Berufsvereine
verfolgen nach allgemeiner Ansicht sozialpolitische
Zwecke. Nun kann die Verwaltungsbehörde nach
8 61 BGB. Einspruch erheben gegen die Ein
tragung eines Vereins in das Vereinsregister, wenn
der verein sozialpolitische Zwecke verfolgt. Diese
Bestimmung müßte beseitigt und in § 61 BGB.
das Wort „sozialpolitisch" gestrichen werden, § 21
BGB. müßte einen Zusatz erhalten, nach dem auch
ein verein, der sozialpolitische Zwecke verfolgt, die
Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereins
register des zuständigen Amtsgerichtes erlangen
könnte.
weiter halten wir es für erforderlich, durch
eine gesetzliche Bestimmung einwandfrei das Ver
hältnis zwischen Arbeitsordnung und Tarifvertrag
festzustellen. Und zwar in dem Sinne, daß eine
Arbeitsordnung dann nicht rechtsverbindlich sein
darf, wenn sie einem für den Betrieb geltenden
Tarifvertrag zuwider läuft. Jeder Tarifvertrag
enthält mindestens die Bestimmungen, die eine
Arbeitsordnung enthalten muß. So sind die Tarif
verträge geeignet, die Arbeitsordnungen zu ersetzen.
Ls widerspricht sogar dem Wesen des Tarifver
trages, dem Arbeitgeber, der einem Tarifvertrags
untersteht, die Pflicht aufzuerlegen, die Bedingungen,
unter denen bei ihm gearbeitet werden soll, als
Arbeitsordnung noch besonders zu erlassen.
Wir fassen unsere Anträge wie folgt zusammen:
wir bitten einen hohen Reichstag, folgende
Gesetzesänderungen zu beschließen:
1. Den Absatz 2 des 8 152 der Reichs-Gewerbe-
(Ordnung entweder zu streichen oder folgenden
Absatz 3 dem 8 152 hinzuzufügen:
Durch die Bestimmung des Absatzes 2 werden
nicht berührt Vereinbarungen zwischen Gewerbe
treibenden und gewerblichen Arbeitern über die
Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen in
bestimmten Gewerben (Tarifverträge),
2. den Berufsvereinen die Rechtsfähigkeit zu
verleihen, — was ohne ein Spezialgesetz — durch
einen Zusatz zu 8 21 Bürgerliches Gesetzbuch und
Streichung des Wortes „sozialpolitisch" in 8 61
Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch verwirklicht
werden kann,
3. das rechtliche Verhältnis von Arbeitsordnung
und Tarifvertrag in dem Sinne zu ändern, daß
die Arbeitsordnung dann nicht rechtsverbindlich
sein darf, wenn sie einem für den Betrieb gelten
den Tarifvertrag zuwiderläuft.
Nl-dettslosen-vesstchel-ung.
Im gerbst 1913 traten die Organisationen der
Arbeiter, hauptsächlich die Gewerkschaften, an
einige Stadtverwaltungen mit der Forderung der
Einführung einer gemeindlichen Arbeitslosen-Ver-
sicherung heran. Ls wurden Versammlungen ab
gehalten, in denen die Gewerkschaftsführer das
Vorhandensein eines wirklichen Arbeitsmangels
und damit die Berechtigung der Forderung nach
zuweisen suchten. Selbstverständlich mußte sich die
Handwerkskammer mit dieser Frage ebenfalls ein
gehend befassen. Nachdem der Vorstand der
Kammer bereits mit Bezug auf eine Stadt seine
Ansicht dahin ausgesprochen hatte, von der Not
wendigkeit einer Arbeitslosenversicherung könne
keine Rede sein, suchte die Geschäftsstelle, um zu
der Frage allgemeiner Stellung nehmen zu können,
genau zu prüfen, ob in den von ihr vertretenen
Kreisen überhaupt ein wirklicher Arbeitsmangel
herrsche. Sie erließ am 12. November 1913 ein
Rundschreiben an die sämtlichen Innungen des
Kammerbezirks mit folgendem Inhalt: „In den
letzten Wochen hat eine hauptsächlich von den
Gewerkschaften ausgehende Bewegung eingesetzt,
die die Einführung einer Arbeitslosen-Versicherung
durch die Städte oder sogar von Reichswegen
dringend fordert. Die Angaben, die über den
Grad der bestehenden Arbeitslosigkeit gemacht
werden, sind sehr unklar und können sich nicht auf
bestimmte Zahlen stützen. Ls ist daher unumgäng
lich notwendig für uns, nähere Angaben zu er
halten. wir bitten Sie, uns mitzuteilen, ob in
Ihrem Gewerbe ein Arbeitsmangel besteht, der