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Eine genaue Grundlage für die Festsetzung der auf dieKleisch -
k a c t e zu gebenden Menge hatte den süddeutschen Staaten nicht zur
Verfügung gestanden. Sie waren auf Schätzungen angewiesen, weil
weder die Inanspruchnahme der Fleischkarte durch die versorgungs
berechtigte Bevölkerung noch die Abgabefähigkeit der Viehbestände zur
Deckung des entstehenden Fleischbedarfes genau bekannt war. Sie
hatten daher zu dem System der Sperr karte gegriffen, unter An
setzung einer Wochenkopfmcnge von zunächst 800 g, die weit über das
Maß des wirklich vorhandenen Fleischvorrates hinausging und den
einzelnen Versorgungsberechtigten einen Bezug von Fleisch nur bis zur
Sperrgrcnze und nur soweit gewährleistete, als Fleisch jeweilig aus
den zugelassenen Schlachtungen vorhanden war. Die süddeutschen
Staaten waren auch dazu übergegangen, eine Freizügigkeit ihrer
Landessleischkarten unter sich zu vereinbaren, und sie hatten damit
bereits für die spätere Rcichsfleischkarte ein Vorbild geschaffen.
Die Tatsache, daß die süddeutschen Staaten trotz ihres ver
hältnismäßig großen Mehreichtums in der Rationierung des Fleisch
verbrauchs vorangegangen waren, während in den anderen deutschen
Staaten eine Einschränkung des Fleischverzehrs für den Einzelnen
noch nicht bestand, rief in der Bevölkerung Süddeutschlands vielfach
Mißstimmung und die Meinung hervor, daß sie auf Kosten der All
gemeinheit eingeschränkt werde, während man umgekehrt in Nord
deutschland, wo man zwar keine Rationierung eingeführt hatte, aber
nicht entfernt die Wochenkopfmenge von 800 g geben konnte, wo man
sich vielmehr in vielen Gebieten mit Wochenkopsmengen von nur 80 bis
100 g begnügen mußte, unter Verkennung der Bedeutung der süd
deutschen Fleischkarte als Sperrkarte mit Mißvergnügen die ver
hältnismäßig hohe süddeutsche Wochcnmenge von 800 g betrachtete.
Diese in der Presse zum Ausdruck gekommenen Mißstimmungen
legten der Reichsfleischstelle die Erwägung nahe, ob nicht wenigstens
für alle größeren Bedarssgcbiete, vielleicht unter Ausschluß länd
licher Bezirke, eine Rationierung des Fleischverbrauchs für den ein
zelnen Versorgungsberechtigten durch Fleischkarte erfolgen sollte.
2. Die Einführung der R e i ch s f l e i s ch k a r t e durch
die Verordnung vom 21. August 1916
und die W i r k u n g d i e s e r Verordnung.
Durch Verordnung vom 22. Mai 1916 war die Schaffung eines
Kriegsernährungsamtes erfolgt und die Reichsfleischstelle seiner Auf
sicht unterstellt worden. Vom Präsidenten des Kriegsernährungs-
amtes wurde nun schon kurz nach Begründung dieses Amtes der