4. Der Kapital- und Geldmarkt.
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densten Art vollziehen, welche auch in der Entwicklung der Lage
und der Politik der Zentralnotenbank zum Ausdruck kommen, und
zwar Änderungen, welche mit dem Wandel der Konjunktur in keinem
Zusammenhänge zu stehen brauchen. Hierher gehören, um auf solche
Wandlungen innerhalb des deutschen Wirtschaftslebens in dieser Zeit
nur ganz kurz einzugehen, vor allem die mit der Zunahme der Volks 1 -
zahl und der Zunahme des Wohlstandes zusammenhängende Aus
weitung der Volkswirtschaft. In dem betrachteten Zeitraum von
1896—1913 ist die Volkszahl Deutschlands um 14,2 Millionen Köpfe
gestiegen. Hierher gehört ferner, daß in der gleichen Zeit die beruf
liche Struktur der Bevölkerung und die ganzen Grundlagen des deut
schen Wirtschaftslebens wesentlich andere geworden sind. Deutsch
land ist in zunehmendem Maße Industriestaat geworden und seine
Verflechtung in die Weltwirtschaft hat dauernd zugenommen. Das
alles sind natürliche Faktoren, die auf die Entwicklung des Wechsel
umlaufes, auf die Größe der Bedürfnisse am Geldmarkt, und damit
auf die Größe des Notenumlaufes, einen starken Einfluß ausüben
müssen. Dabei sei, da davon später noch zu reden sein wird, an
dieser Stelle ganz davon abgesehen, daß in diesem Zeiträume sich
auch weitreichende Veränderungen auf dem deutschen Kapitalmärkte
vollzogen haben, welche ebenfalls mit dem Wandel der Konjunktur
in keinem ursächlichen Zusammenhänge stehen.
Sieht man aber von all diesen, vom Standpunkt der Konjunktur
aus nur von außen her wirkenden Ursachen ab, so kann man doch
auch dabei den Einfluß des Konjunkturwandels deutlich wahn
nehmen. Man sieht, wie in der Zeit einer aufsteigenden Konjunktur
Wechselanlage und Bestand an Lombarddarlehen wesentlich zu
nehmen und höher sind, als unter anderen wirtschaftlichen Ver
hältnissen. Und wir sehen dann weiter, wie in engem Zusammenhänge
damit, sich der Notenumlauf der Reichsbank vergrößert und wie
gleichzeitig der Status der Reichsbank ein angespannterer wird, was
für ihre weitere Politik, wie wir noch sehen werden, bestimmend
ist. Das Deckungsverhältnis ihres Metall- und Goldbestandes zu den
täglich fülligen Verbindlichkeiten, zu den Noten und fremden Geldern,
verschlechtert sich. Die Reichsbank ist gezwungen, von einem
gewissen Punkte dieser Entwicklung ab durch eine Erhöhung ihres
Diskontsatzes der Fülle des Wechselangebotes Einhalt zu tun. Dieser
Zusammenhang tritt besonders deutlich in der Zeit von 1900—1901,
1907—1908 und 1912—1913 hervor. In diesen Jahren beobachten
wir im Zusammenhang mit der Heraufsetzung des Diskonts und der
einsetzenden Depression eine wesentliche Besserung in den Deckungs
verhältnissen der Reichsbank.