2. Die private Unternehmung im Wandel der Konjunktur.
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Konjunktur Betriebserweiterungen vielfach unter dem Einfluß der
Banken vor sich gehen, daß die Mittel hierzu der Betriebsleitung
förmlich aufgedrängt werden.
„Weit wichtiger erscheint es aber, daß der auf den Finanzier
gestützte Industrielle, oder Industriepolitiker, von dem wir vorhin
sprachen, mit ähnlichen Gründen stets zur Erweiterung und Aus
gestaltung des von ihm beherrschten industriellen Systems geneigt
sein wird. Er weiß, daß er immer über den Kapitalmarkt verfügen
kann und, was den privaten Unternehmer davon abhält, sein Werk
allzu sehr über seine eigene Kraft hinaus zu erweitern, die Furcht,
seine Unabhängigkeit zu verlieren, dieses Moment existiert für
unseren von vornherein mit der Finanz liierten Industriellen natürlich
nicht. Es kommt dazu, daß der Finanzier seinen Wünschen gerne
folgen wird, da sie ihm selbst Gelegenheit geben, zu verdienen. Die
Folge davon ist, daß Wirtschaftszweige, in denen der finanzielle
Industriepolitiker herrscht, im ganzen eine größere Neigung zur Er
weiterung und Ausgestaltung, stärkerer Inanspruchnahme des Kapital
marktes und Überproduktion zeigen müssen als andere i).“
Wenn wir im Auge halten, daß bei uns die Tendenz dahin geht,
die Einzelunternehmung immer mehr durch die Aktiengesellschaft zu
verdrängen, so müssen sich damit aus der Eigenart dieser Unter
nehmungsform heraus in dem eben dargelegten Sinne bestimmte
Einwirkungen auf die Entwicklung der Produktion und auf die Lage
auf dem Kapitalmärkte ergeben. Das in Handel und Industrie bei
uns tätige Kapital nimmt ja in steigendem Maße Effektenform an.
Auch die Organisationsform der Industrie, die Frage, ob Einzelunter
nehmung oder Aktiengesellschaft, ist nach mancher Richtung hin
nur ein Mittel, um bestimmte, privatwirtschaftliche Ziele zu erreichen.
Es sind ja auch ganz bestimmte Industriezweige, in welchen, aus
diesem Grunde vor allem, die Aktiengesellschaft als Unternehmungs-
form in starkem Vordringen begriffen ist. In diesem Sinne wird also
die Zunahme der Aktiengesellschaften gegenüber den Einzelunter
nehmungen einen Einfluß auf den Gang der Konjunktur ausüben
können.
Auch in anderer Hinsicht, ohne, wie in dem eben besprochenen
Falle an den Typ einer bestimmten Unternehmungsform gebunden
zu sein, ergeben sich aus der Eigenart der einzelnen Industrieen und
Unternehmungen heraus in Verfolgung ihres Ertragsstrebens bemerkens-
U Steinitzer, a. a. 0. S.98. Vgl. dazu auch Petrazycki, Aktien-
wesen und Spekulation. Berlin 1906. Kap. 6. Der pathologische Einfluß der
optimistischen Tendenz auf die Produktion.