2. Die private Unternehmung im Wandel der Konjunktur.
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„in Gegenrechnung in Waren geliefert wird“. Solange sich solche
Werke einrichten, haben sie schönen Absatz infolge des Gegen
geschäftsprinzips. Sowie aber die Neueinrichtungen fertig sind,
stockt aber der Absatz naturgemäß. Volkswirte, welche die gegen
wärtige Krisis studieren, sollten an der Gegengeschäftsmisere nicht
achtlos vorübergehen 1 )“
Aus der Papierindustrie haben wir für die Jahrhundert
wende Berichte von Fabriken, die ihren Betrieb in den letzten Jahren
in der Weise ausgestaltet hatten, daß sie auf den Kredit der Ma
schinenfabriken wirtschafteten, welche ihnen dann in der Baisse aus
eigenem Interesse heraus weitere Unterstützungen gewähren mußten,
um nicht den Verlust ihrer ganzen Anlagen zu riskieren * 2 ).
Daß diese Debitorenkonten der Industrie in den allerengsten
Beziehungen zu den Verhältnissen auf dem Kapital- und Geldmärkte
und damit zur Entwicklung der Konjunktur stehen, bedarf nach dem
oben darüber Gesagten keiner besonderen Begründung. Man braucht
nur die Frage aufzuwerfen, woher denn diese Industrien die Mittel
nehmen, um ihrerseits so gewaltige Kredite an ihre Kundschaft ge
währen zu können. Sie können dies nur durch eigene Inanspruch
nahme des Kapital- und Geldmarktes, vor allem durch weitgetriebene
Ausnutzung des Bankkredits in seinen verschiedenen Formen. Wir
haben es hier mit einem Zusammenhang zu tun, an welchem die not
wendigen Betriebsmittel der Volkswirtschaft in Gefahr geraten, zu
Anlagezwecken Verwendung zu finden, wo die Bedürfnisse zu neuen
Kapitalinvestitionen auf dem Geldmarkt und nicht auf dem Kapital
markt befriedigt werden.
Auch diese ganze Frage der Verkaufsbedingungen und der Kredit
gewährung in den verschiedenen Industriezweigen ist in erster Linie
privatwirtschaftlich fundamentiert. Sie hängen eben in erster Linie
zusammen mit den eigenartigen Verhältnissen bestimmter Industrien,
vor allem ihren besonderen Absatz- und Konkurrenzverhältnissen.
Es ist wahrscheinlich, daß es vornehmlich neugegründete Unterneh
mungen sind, welche, um in das Geschäft hineinzukommen, sein-
weitherzige Zahlungsbedingungen gewähren, es mag auch sein, daß
ein besonders günstiger Einfluß eines vergrößerten Absatzes auf die
!) „Zur Lage der deutschen Maschinenfabriken.“ Frankfurter Zeitung.
Zweites Morgenblatt. 20. September 1908.
2 ) Schrift, d. Ve». f. Sozialpolitik. Band 107, S. 231 und Band 106, S. 47.
Weitere Belege für diese Art der Kreditgewährung hat in der Zeitschrift
„Technik und Wirtschaft“ R. Blum, der Direktor der Berlin-Anhaltischen
Maschinenbau-Aktiengesellschaft, gebracht. Es handelt sich hier um eine
sehr weit getriebene Kreditgewährung an Stadtverwaltungen. Es ist diesen
darum zu tun, die Zahlung gestundet zu bekommen, um zur Anfnahme der
nötigen Anleihen eine günstigere Konjunktur abzuwarten.