2. Die neueren Krisentlieorien.
33
Depression wächst nach der Ansicht Bouniatans die Konsumtion im
Verhältnis zu der Größe/der Produktion. Gleichzeitig mit dieser Ent
wicklung gehen Kapitalbeträge der Volkswirtschaft in den Konsum über.
Damit geht die vorhandene Überkapitalisation zurück, und so entsteht
die Tendenz, einen Gleichgewichtszustand zwischen der Größe der
Produktion und dem Bedarf der Gesellschaft herbeizuführen. Diese
Tendenz zur Überproduktion ist aus den genannten Gründen in der
gegenwärtigen Wirtschaftsordnung immer vorhanden. „Daher die Un
stetigkeit des Wirtschaftslebens und der wirtschaftlichen Tätigkeit,
die bald aufwärts zum Aufschwung und zur Überproduktion, bald
abwärts zur Depression und zur Brachlegung von Produktivkräften
strebt. Das inhärente Streben der im Dienste der unumschränkten
Kapitalisation stehenden Produktivkräfte nach Entfaltung und die
Notwendigkeit, die Produktivität in Übereinstimmung mit der wenig
expansiven Konsumtion einzuschränken, erschweren die Erhaltung
des Gleichgewichts im Wirtschaftsleben und erzeugen seinen perio
dischen Auf- und Niedergang.“
Neben diesen, bisher etwas eingehender dargestellten Theorien
und Erklärungen stehen noch manche andere, die in interessanter
und beachtenswerter Weise auf wichtige Zusammenhänge bei dem
Wandel der Konjunkturen hingewiesen haben. Auf sie soll deshalb
an dieser Stelle noch kurz eingegangen werden.
Der Franzose Aftalion macht den Versuch, durch Heranziehung
der subjektiven Wertlehre, mit Hilfe der Grenznutzentheorie die Mög
lichkeit einer allgemeinen Überproduktion darzutun, ohne doch damit
in Widerspruch zu der oben dargelegten Theorie der Absatzwege von
Say zu geraten. Hatte Say eine solche allgemeine Überproduktion
doch für unmöglich erklärt! Aftalion meint, daß im Verlauf der
Hausse mit zunehmender Menge der den Verbrauchern zur Verfügung
gestellten Waren eine gewisse Sättigung des Bedarfes eintreten muß,
die zur Folge hat, daß ihr Gebrauchswert, d. h. ihr Grenznutzen eine
Verminderung erfährt. Ohne daß hierbei das Wertverhältnis dieser
Waren sich gegenseitig ändert, kann damit ein Sinken der Preise ein
treten. In dem Maße, in dem bei den einen Waren so der Grenz
nutzen zurückgeht, wird er bei anderen steigen müssen. Aber infolge
der langen Dauer des Produktionsprozesses kann dieser so steigende
Bedarf nicht befriedigt ; werden. In dem Maße nun, in welchem auf
dieser Grundlage die Preise auf dem Warenmärkte einen bestimmten
Betrag unterschritten haben, muß eine Überproduktion und damit,
eine Krise entstehen.
Hilf erdin g hält in ähnlicher Weise wie Marx und Tugan-
Baranowsky die Krise für ein Produkt der kapitalistischen Gesell