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zu stellen, insbesondere aber »die Produktivität der Nation
zu heben suchen«, besonders durch Zollgesetze. 1 )
Als Zweck wirtschaftlicher Tätigkeit einer Nation er
achtet Kankrin jedoch nicht »die höchstmögliche Erzielung
des reinen Ertrages«, sondern »das allgemeine, wenn auch
mittlere Wohlsein der meisten«. 2 ) Denn, wie er noch sagt,
je »weniger der Arbeiter verzehrte, das heißt, je elender er
wäre, desto größer würde der reine Ertrag sein«. 3 ) Dies
würde aber die Ruhe, Sicherheit und unabhängige Existenz
des Staates sehr gefährden. »Um einen Staat von außen
möglichst zu befestigen, ist vorerst nötig, daß er eine seiner
Größe angemessene Bevölkerung besitze, und die weit
überwiegende Mehrheit dieser Bevölkerung durch Eigentum,
gesicherte Existenz, persönliche Freiheit und einen billigen,
wenn auch sehr verschieden ausgemessenen Anteil an dem
Nationaleinkommen, zugleich aber durch Moralität und zu
friedenen Sinn fest an den Staat gebunden sei, sich also
för seine Existenz lebhaft interessiere, mithin Kraft gegen
außen und Ruhe im Innern gewonnen werde. Allein diesem
muß der höchste reine Ertrag untergeordnet werden«. 4 )
Die Stellung Kankrins zu den weiteren verschiedenen
Fragen der volkswirtschaftlichen Theorie und Praxis werden
wir noch des näheren in folgenden Kapiteln dieser Arbeit
kennen lernen. Aus dem, was wir bisher zur Klarlegung
des Standpunktes Kankrins vorgeführt haben, geht jedoch
schon deutlich hervor, daß unser Autor als unleugbarer
Vertreter der Theorie von der Handelsbilanz, also als ein
Merkantilist und zwar als Anhänger der Mittelstandspolitik
z u bezeichnen ist.
Desgleichen haben wir in dem Vorhergehenden kon
statieren können, daß Kankrin im »Weltreichtum«, namentlich
der Produktivitätsfrage, stark von der physiokratischen
Lehre beeinflußt war. Wenn er dann in der »Ökonomie«
seine Auffassung von der Produktivität auch stark im mer-
■) Ök. 249. — a ) Ök. 35, 97. — 3 ) Ök. 97. - *) Weltr. 102.