Full text: Neuzeitliche Krüppelfürsorge

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er seine ausgebildeten Kräfte tunlichst zu 100 Prozent anwenden 
kann. Leider aber ist krüppelfürsorgerisch in dieser Hinsicht noch nicht 
viel getan worden. Die Arbeitsvermittlung blieb unorganisiert, ent- 
weder dem Zufall und der Mildtätigkeit überlassen, oder aber sie war 
den auszubildenden Anstalten anheimgestellt. Im letzten Falle war sie 
auf die Anfragen Interessierter an die Anstalt oder aber auf die Be- 
mühungen der Anstalt selbst angewiesen. Auf diesem Wege konnte 
bislang den meisten ausgebildeten Krüppeln eine Arbeitsstelle be- 
schafft werden, freilich unter starker Ausnutzung unserer persönlichen 
Beziehungen, beispielsweise zu klösterlichen Anstalten und Kranken- 
häusern. Unsern ausgebildeten Schneidern und Schuhmachern kamen 
diese Beziehungen besonders zugute. Diese beiden Kategorien von 
Handwerkern sind überhaupt in einer glücklicheren Lage, insofern es 
für sie leichter ist, zu Arbeit und Brot zu kommen als für Drechsler, 
Intarsiatoren und Kunsstgewerbler. Bei den ersteren beherrscht näm- 
lich immer mehr die Maschine das Feld, und bei den letzteren ist das 
Angebot von Arbeitshänden zu groß, und die ehemals kapitalkräftigen 
Käufer sind infolge der allgemeinen Verarmung außerordentlich stark 
gelichtet. 
Die geeignete Berufsberatung der Pfleglinge vor Beginn der 
Lehrzeit unter besonderer Berücksichtigung ihres individuellen Leidens 
erweist sich von besonderer Bedeutung für die spätere Arbeits- 
beschaffung. Das Ergebnis einer derartigen Beratung ist die Wahl 
eines solchen Berufes, für den sich der Pflegling sowohl in körper- 
licher wie geistiger Beziehung eignet, in dem er also auch wirklich 
etwas zu leisten vermag. Wenn bei dieser Berufswahl noch besondere 
Rücksicht auf die Verhältnisse, aus denen der Pflegling kommt und 
in die er wahrscheinlich wieder zurückkehrt, genommen wird, so ist 
damit die spätere Arbeitsbeschaffung wesentlich erleichtert. 
Weiter ist zu empfehlen die Verbindung mit den Handwerks- 
kammern, den Jugendämtern in Stadt und Land und vor allem den 
Innungen als der korporativen Vereinigung der Handwerker, wo- 
bei auch auf die vom westfälischen Landeshauptmann ausgesetzte 
Prämie für Ausbildung von Krüppellehrlingen hingewiesen werden 
müßte. Nicht zu vergessen sind schließlich noch aufklärende Vorträge 
schlechthin, besonders auf Geistlichen- und Lehrerkonferenzen, auf 
Innungsversammlungen usw., kurz und gut, Propaganda leisten in 
Wort und Tat. 
Mag durch diese private Fürsorge auch manches Gute gewirkt 
sein, das Ideal ist sie allein gewiß nicht, weil die Anstalten wegen der 
finanziellen Schwierigkeiten nicht in der rechten Weise die Behörden, 
die Öffentlichkeit und alle, denen des Volkes Gesundheit am Herzen 
liegt, auf dieses Gebiet hinweisen können. 
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