Full text: Die deutsche Wirtschaft

32. 
Die außenpolitischen Aufgaben der Wirtschaft. 
Von Reichsminister a. D, Dr.-Ing. e,h, Gothein. 
Je mehr die Kultur sich entwickelt, je mannigfaltiger die Bedürf- 
nisse der Menschen werden, um so weniger ist ein Land in der Lage, 
sie durch Eigenwirtschaft zu decken, Selbst ein von den tropischen 
bis in die arktischen Regionen reichendes, ein so ungeheures Gebiet 
umspannendes, mit so einzigartig reichen Naturschätzen ausgestattetes 
Land wie die Vereinigten Staaten von Amerika vermag das nicht. 
Weder den Kaffee Brasiliens noch den Tee und die Jute Indiens, weder 
die Seiden Italiens, Japans und Chinas noch das Holz Kanadas oder 
den Kautschuk tropischer Länder können sie entbehren. Und sie sind 
auf den Absatz ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse und ihres Kupfers 
nach Europa, ihrer Industrieerzeugnisse nach nahezu allen Ländern der 
Welt angewiesen. Ihr gewaltiger Kapitalüberschuß muß Anlagemög- 
lichkeiten in anderen Staaten suchen, Selbst sie können keine aut- 
arkische Wirtschaft führen. 
Was für Nordamerika nicht möglich ist, ist es erst recht nicht 
für die in einer Gemengelage, vielfach ohne natürliche Grenzen, lie- 
genden Staaten Europas. Das Streben nach natürlichen Grenzen ist 
ebenso verständlich wie das, die Angehörigen einer Nationalität in 
einem gemeinsamen Staatswesen zusammenzufassen. Aber weder das 
eine noch das andere darf — will es nicht die schwersten Gefahren 
und Störungen hervorrufen — die wirtschaftlichen Bedürfnisse und 
Notwendigkeiten der Nachbarn außer acht lassen, Umgekehrt dürfen 
die Wünsche und Ziele der Wirtschaft nicht politische Gefahren her- 
aufbeschwören, die sich letzen Endes auch an ihr rächen. 
Nicht der Friede um jeden Preis kann die Aufgabe der Politik 
eines Staates sein, Ein schimpflicher oder seine Lebensinteressen 
treffender Friede birgt die Gefahr neuer Kriege in sich, Er ist sonst 
„die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln‘, Das Ziel einer 
klugen Wirtschaftspolitik muß daher sein, den Krieg zu vermeiden; sie 
wird auf egoistische Wünsche verzichten müssen, wo diese Zündstoff 
schaffen können, der im Verein mit anderem nationaler, religiöser und 
sonstiger Art zur Verstimmung der Völker führt und den Boden vor- 
bereitet, auf dem Kriege erwachsen.
	        
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