Full text: Agrarkrisis und landwirtschaftliche Betriebsorganisation

} 
Was die Landwirtschaft in diesem Winter ebenfalls in eine besondere 
Notlage gebracht hat, das sind die ungewöhnlich niedrigen Kartoffelpreise 
und die schlechte Haltbarkeit der Kartoffeln. An sich dürfte ja eigentlich 
eine reiche Kartoffelernte mit niedrigeren Preisen für die Landwirtschaft 
nicht ungünstiger sein als eine knappe Ernte mit entsprechend höheren 
Preisen. In diesem Jahre aber brauchte der Landwirt im Herbste Geld 
und der Handel hatte auch im Kartoffelgeschäft nicht die Möglichkeit, größere 
Vorratskäufe zu tätigen. Ganz besonders aber hat sich auch die Aufnahme- 
fähigkeit der Kartoffeltrocknereien als völlig unzureichend herausgestellt. 
Vielfach hat es auch an den Dämpfanlagen gefehlt, um die sich schlecht 
haltenden Sorten wenigstens einsäuern zu können, so daß dieselben jetzt 
zum erheblichen Teil in den Mieten faulen. Die ganze Kartoffel- 
verwertung muß bei uns auf andere Geleise geschoben werden, 
damit eine reiche Kartoffelernte der Landwirtschaft voll zum 
Nuyt en ausschlägt. Am besten daran sind mit ihrer Kartoffelverwertung 
heute wieder die Brennereibetriebe. Auch die Kartoffelfrachten müßten 
weiter herabgesettt werden. 
Als vor Jahrzehnten der preußische Eissenbahnminister einmal bei 
Vorlage des Finanzetats erklärte, daß die Eisenbahn für den Staat eine 
glänzende Einnahmequelle sei, antwortete ihm Eugen Richter sehr trocken, 
daß er immer geglaubt habe, sie sei ein Verkehrsmittel. Leider ist es heute 
bei den uns auferlegten riesigen Reparationsverpflichtungen, welche ja zum 
großen Teile auch direkt auf den Eisenbahnen ruhen, nicht mehr möglich, 
letztere lediglich als ein Verkehrsmittel zu betrachten, sondern wir sind leider 
gezwungen, sie auch als eine wichtige Cinnahmequelle anzusehen. Es ist 
aber unbedingt notwendig, immer wieder darauf hinzuweisen, daß die Eisen- 
bahn in erster Linie Verkehrsmittel ist und daß sie als Einnahmequelle 
für den ganzen Staat und nicht etwa für das Cisenbahnpersonal da ist. 
Wenn es richtig ist ~ was die Fama sagt + daß der Eissenbahnminister 
ein Einkommen von 250 000 Mark haben soll, so wäre das ebenso un- 
verantwortlich wie die Tatsache, daß die Eisenbahner im vorigen Jahre 
als Folge der hohen Einnahmen der Bahn erhebliche Weihnachtsgratifikationen 
und Freifahrten bekommen haben. Dafür hat man den Mitgliedern des 
Reichswirtschaftsrates bis auf einen verschwindenden Teil ihre Freikarten 
genommen, damit sie sich ja nicht mehr im Wirtschaftsleben umschauen 
können, soweit sie nicht mit materiellen Glücktsgütern gesegnet sind. Wenn 
man sehen will, wie rückständig wir mit unserem Eisenbahnwessen sind, dann 
muß man einmal die Kilometerzahl, welche die Wagen bei uns und in den 
Vereinigten Staaten im Jahre zurücklegen, vergleichen, ferner auch die Zahl 
der Angestellten, die hier und drüben zur Bewältigung der gleichen Personen- 
kilometer erforderlich sind.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.