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Aus dieser Not können uns nur Mehrarbeit und Sparsamkeit heraus-
helfen. Die Sparsamkeit aber muß wie erwähnt in erster Linie bei der
Staatsverwaltung und allen ihren Organen einsetzen. Unsere Kapitalarmut
wird heute durch die ungeheuren Steuern in unverantwortlicher Weise verschärft.
Im Jahre 1913 wurden dem deutschen Volkseinkommen von 40 Milliarden
Goldmark im ganzen an Steuern und Abgaben einschließlich Zöllen 112129/,
entzogen. Im Jahre 1924 waren es dagegen etwa 33°/J des nur noch
etwa 30 Milliarden Reichsmark betragenden Volkseinktommens. Es ist
unverzeihlich, unter solchen Verhältnissen der Volkswirtschaft an Steuern
mehr abzupressssen als irgend notwendig ist, und unumgänglich die Kosten
der Staatsmaschinerie rücksichtslos abzubauen. Auch die Beamten müssen
einsehen, daß heute jeder weniger haben muß als er vor dem Kriege hatte,
sofern nicht der Staat, von dem er ja in erster Linie lebt, zugrunde gehen
soll. Möglichst weitgehende Anstellung der Staatsbeamten auf besonderen
Dienstvertrag ohne Pensionsberechtigung ist aber das wichtigste Mittel, um
die Arbeitsleistungen in den Staatsbehörden zu steigern.
Natürlich sind es nicht nur die Staatsbeamten, die man zur Bescheidung
und zur Mehrarbeit aufrufen soll. Gleiches gilt vielmehr für alle Be-
völkerungsschichten. Einstweilen ist das ganze deutsche Volk noch psychisch
krank. Man glaubt sich in die schlimmste Zunftzeit versett, wenn man sich
im Wirtschaftsleben umschaut. Nur ganz ausnahmsweise findet man das
Streben, die Lage durch Mehrarbeit zu bessern. Meist stößt man dagegen
auf das Streben, durch Preisvereinbarungen dafür zu sorgen, daß man
weniger zu arbeiten hat. Ganz besonders schlimm sieht es diesbezüglich
im Handwerk aus. Aber auch die Trusts und Syndikate sind vornehmlich
Versicherungsanstalten für die schwachen sonst nicht lebensfähigen Unter-
nehmungen. Auch viele Korporationen sind in erster Linie Einrichtungen,
um den Unfähigen über Wasser zu halten. Manchmal kommt man sich
vor, als wäre Deutschland zu einer großen Alters- und Invalidenversorgungs-
anstalt oder zu einer Anstalt mit der Devise „Schutz für die Faulheit und
Unfähigkeit‘ geworden. Wenn dieser Rentnergeisst, der nichts mit wahrer
sozialer Fürsorge für Kranke und Ausgediente zu tun hat, nicht wieder
aus dem Volke herausgebracht werden kann, dann wird unser Volk den
langen und schweren wirtschaftlichen Kampf, der ihm bevorsteht, nicht ohne
großes Reinemachen bestehen können. Glücklicherweise haben wir aber auch
Volksschichten, die von diesem Rentnergeist oder Schlaraffengeist nicht an-
gekränkelt sind. Dazu gehört in erster Linie der deutsche Bauernstand. Er
hat nicht nur in der Kriegszeit krumm gelegen, sondern sich auch in der
Inflationszeit größtenteils nicht zu einem üppigen Lebenswandel verführen
lassen. In ihm regt sich auch der Sparsinn in erster Linie wieder, ganz
besonders im deutschen Westen, wie man aus der Statistik der Sparkassen