128 Dritter Abschnitt. Einfluß des Konjunkturwandels und der Krisen.
der festverzinslichen Anlagen. In der Zeit einer aufsteigenden Kon
junktur sucht deshalb das Publikum, das jetzt Vertrauen in den
weiteren Gang der wirtschaftlichen Entwicklung hat, das an den zu
erwartenden Gewinnen, welche die aufsteigende Konjunktur ver
spricht, ebenfalls teilnehmen will, seine verfügbaren Mittel in solchen
Industriepapieren anzulegen. In solchen Zeiten ist vielfach der Ka
pitalbedarf der Industrie ein zu großer, als daß die verfügbaren Mittel
des Kapitalmarktes ausreichen, allen an ihn gestellten Ansprüchen
gleichzeitig gerecht zu werden.
„Mit diesen fortgesetzten starken Kapitalinvestitionen kann die
Kapitalneubildung, so erfreulich sie fortschreitet, keinen gleichen
Schritt halten und es ergibt sich ein steter Mangel an flüssigem,
Anlage suchenden Kapital, das nur in Zeiten gewerblichen Nieder
ganges vorübergehend einer größeren Geldflüssigkeit weicht“ 1 ).
Deshalb können also die öffentlichen Körperschaften in den
Zeiten der Depression, in denen keine so starke Nachfrage vonseiten
der Industrie besteht, und wo das Publikum, durch den Niedergang
der Konjunktur ängstlich gemacht, weniger gerne Anlagen in
Industriepapieren, als in solchen Staats- oder Stadtanleihen, oder
in Pfandbriefen sucht, leichter Käufer für ihre neuen Emissionen
finden, als in den Zeiten einer aufsteigenden Konjunktur. Eine
gewerbliche Stagnation ist also für das Anleihebedürfnis von Staat
und Gemeinde günstig, ein gewerblicher Aufschwung ist dafür un
günstig.
Mit dem Gesagten hängt es dann weiter zusammen, daß, da der
deutsche Kapitalmarkt, vor allem in den letzten Jahren vor dem
Kriege, nicht genügend Mittel besaß', um alle an ihn herantretenden
Bedürfnisse befriedigen zu können, diese Anleihen der öffentlichen
Körperschaften, aber auch diejenigen der Hypothekenbanken,
bei uns so starke Kurseinbußen erlitten haben. Je niedriger nämlich
der Kurs dieser Papiere ist, um so höher ist der Realzinsfuß und
um so leichter und mit um so größerem Erfolg, können sie auf dem
Kapitalmarkt mit den Industriepapieren in Konkurrenz treten. Ganz
anders lagen die Verhältnisse in Frankreich, wo infolge der dort
herrschenden industriellen Stagnation das Kapitalbedürfnis der
dortigen Industrie im Vergleich zu derjenigen Deutschlands ein sehr
geringes gewesen ist. Zu dem Gesagten vergleiche man die folgende
Tabelle.
D Dombois, Der Kursstand der deutschen Staatsanleihen. Hanno
ver 1911. S. 43.