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im Osten eine Menge von Personen vorhanden seien,
die nicht allein von ihrem eigenen Besitz leben könnten.
Wenn dieser Entwurf Gesetz werden sollte, so werde
ja allerdings ein großer Teil des Großgrundbesitzes in
seiner Existenz untergraben werden. Aber der Großgrund-
besitz werde im Osten immer eine gewaltige Rolle spielen.
Ein immer schwierigeres Problem für den Großgrund-
besiß werde indessen die Beschaffung der Arbeiter sein.
Es bestehe nun einmal bei den Leuten, namentlich die
beim Militär gedient hätten, die Tendenz, in die Stadt
oder in die Fabrik zu gehen. Das einzige, was den
Mann an die Scholle und an den Osten noch knüpfe, sei
der Besitz eigenen Grund und Bodens, und wenn es nur
ein halber Morgen sei. Man werde einwenden, der Mann
werde sich ein Haus bauen und gehe dann doch nach West-
falen arbeiten. Das werde vielleicht vielfach vorkommen;
aber das einzige Mittel, einen Stamm von Arbeitern
im Osten zu behalten, sei eben, jedem ein Stück Land zu
geben, und zwar ohne Rücksicht auf seine Nationalität.
Wenn man national-politische Gesichtspunkte da hinein-
spielen lasse, werde man mit der ganzen inneren Koloni-
sation nichts erreichen und niemals genug inländische
Landarbeiter haben.
Das einzige, womit die innere Kolonisation gefördert
werden könne, sei die Beschaffung eines billigen Staats-
kredits und Aufhebung aller öffentlich-rechtlichen Hinder-
nisse. Was die Misere jetzt im Osten veranlaßt habe,
sei nicht etwa, daß es keine Verkäufer gebe, vielmehr gebe es
sowohl Verkäufer wie Kauflustige in großer Zahl; sondern
es seien die Schwierigkeiten, die den Leuten in den Weg
gelegt würden, ehe sie sich ein Haus bauen könnten.
Hebe man diese Schwierigkeiten auf, dann würden die
landwirtschaftlichen Verhältnisse allerdings anders aussehen.
Die Stein-Hardenbergische Gesetgebung sei ebenso
wie das Geseßz von 1850 formell ein stärkerer Eingriff
als der jezige Entwurf; aber nicht materiell. Er erinnere
daran, daß diese Gesetzgebung eingeschritten sei in der
Zeit der schlimmssten wirtschaftlichen Depression; und da
sei es für viele Großgrundbesitzeer ein Segen gewesen, daß
sie an Stelle des nominellen Eigentums, das sie doch anderen
Leuten in Besitz gaben, schließlich eine feste Roggenernte
bekamen. Daß diese mit der Zeit sehr gering erschienen
sei, sei ja eine andere Sache. Aber damals sei es nicht
als ein so schweres Unrecht empfunden worden, wie das
hz Vorgeschlagene, namentlich in der Frage des Vorkaufs-
rechtes. .
Die vom Minister zitierte Abhandlung aus der Zeit-
schrift für innere Kolonisation scheine ihm sehr einseitig
zu sein, wie diese Zeitschrift überhaupt. Eine Abhandlung
des Rechtsanwalts Pfleger, Mitglied des Reichstags, in
der Cölnischen Volkszeitung vom 17. April 1914, komme
zu ganz anderen Resultaten über die Erfolge des bayerischen
Güterzertrümmerungsgesetzes.
Er habe noch keinen Güterhändler kennen gelernt,
der reich geworden sei. In Einzelfällen hätten sie zwar
große Gewinne erzielt, aber diese gingen alle darauf an
die Geldmänner, die sich selbst mit der Güterzertrümmerung
nicht befaßten, sondern nur dem Güterhändler, der ge-
wöhnlich sehr wenig besitze, das Geld vorschössen. Gegen
diese Geldmänner werde man auch mit dem neuen Ent-
wurf nichts ausrichten können.
I. Behördliche Genehmigung
1. Generaldebatte
b) Wirtschaftliche Fragen (Fortseßzung)
Gin fünfzehntes Kommissionsmitglied stellte
in den Vordergrund der Erörterung das Ziel, unter
I: