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müssen auch während der Kirchzeit arbeiten. Darüber sind die
Klagen allgemein. Die Tatsache selbst ist übrigens durch die jüngsten
Erhebungen der Kommission für Arbeiterstatistik über die Arbeits
zeit in den Kontoren bestätigt. Aus einem kleinen, aber sehr
bekannten Orte an der Mosel erfahren wir, es sei dort offenes
Geheimnis, daß die Großweinhandlungen auch während der ersten
Feiertage trotz gesetzlichen und polizeilichen Verbots arbeiten lassen.
Setzt man nun aber den Beginn der Beschäftigung an den Schluß
der Kirchzeit, ohne die zugelassene 5 stündige Dauer zu verkürzen, so
ergibt sich eine Sonntagsarbeit bis 4, ja bis 5 Uhr. In diesem
Falle kann von einer Sonntagsruhe überhaupt nicht die Rede sein.
Tatsache ist, daß da, wo durch Ortsstatut eine Aufhebung
der Sonntagsarbeit nicht verfügt worden ist — und dies sind
nur verhältnismäßig wenige Orte —, niemals eine ununter
brochene obligatorische 24 stündige Arbeitsruhe für das kauf
männische Personal besteht, daß dieses also schlechter gestellt ist
als der Fabrikarbeiter, ohne daß die Wochentagsarbeit etwa durch
schnittlich kürzer wäre als für die gewerblichen Arbeiter. Und
dies, obwohl die Arbeit im Laden und Kontor als geistige Arbeit
anstrengender, die Bezahlung jedoch im Grunde genommen nicht
viel besser ist als Fabrikarbeit.
Wir haben also folgenden Zustand:
Die kaufmännischen Angestellten haben, soweit sie im Kontor
angestellt sind, eine Wochentagsarbeit im Durchschnitt bis 8 Uhr
abends, in der Saison noch länger, das Verkaufspersonal arbeitet
größtenteils in der Woche bis 9 Uhr. Daß unter diesen Um
ständen an Wochentagen keine Zeit übrig bleibt, um sich geistig
fortzubilden, sich im Kreise der Familie zu erholen, kurzum eine
Stunde für sich zu haben, ist einleuchtend. Nun kommt noch
die bis in die Nachmittagsstunde dauernde Sonntagsarbeit. Da
mit bietet auch der Sonntag für den kaufmännischen Angestellten
keine genügende Zeit, um an den Bestrebungen fortschreitender
Kultur teilzunehmen. Der gewerbliche Arbeiter hat durchschnittlich
eine mehr als 24 stündige Ruhe in der Woche. Am Sonnabend
hört für ihn die Arbeit meistens früher auf, der kaufmännische
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