Full text: Geschichte des öffentliche Kredites

Landmann, Geschichte des öffentlichen Kredites. $ 4. 
Die Ausbildung spezifisch städtischer Formen des öff, Kredites hat zur Voraus- 
setzung die rechtliche Sicherung des Bestandes und die wirtschaftliche Sicherung der 
Erfüllung, die für städtische Schulden früher als für die der Landesfürsten gegeben 
sind, Während jede nicht dinglich gesicherte Forderung gegen einen Landesfürsten mit 
der Gefahr des Unterganges beim Ableben des Schuldners bedroht war (vgl. nachstehend 
S. 490), konnte die Stadt als unsterbliche Korporation auch ohne dingliche Sicher- 
stellung den Bestand ihrer Verpflichtungen auf unabsehbare Zeiten garantieren. Ma- 
teriell erscheint die Erfüllung der städtischen Schulden besser als die der Landesfürsten 
gesichert, weil die Städte viel früher als die Fürsten die Mittel, deren sie zur Befriedigung 
ihrer Gläubiger bedurften, auf dem Wege der Besteuerung aufbringen konnten. Zu 
diesen, in der Steuerkraft der städtischen Bevölkerung und in dem oft harten Be- 
steuerungswillen des Rates begründeten materiellen Sicherungen treten ergänzend die 
Möglichkeiten, die sich aus dem Charakter der Stadt als einer Korporation auch ver- 
mögensrechtlich verbundener, für die Verbindlichkeiten der Stadt solidarisch haften- 
der Personen ergeben, und die im Notfall dem Stadtgläubiger den Zugriff auch auf das 
Vermögen der einzelnen Bürger erlaubten. Kommt die Stadt ihren Verpflichtungen 
nicht nach, dann ist jeder ihrer Bürger, wenn er mit Waren reist oder auswärts Geld zu 
fordern hat, der Gefahr der Pfändung durch auswärtige Stadtgläubiger ausgesetzt. Die 
auf diesen Voraussetzungen beruhende Umbildung der städtischen Kreditformen läuft, 
ungeachtet starker innerer Gemeinsamkeit, nördlich der Alpen doch in anderen For- 
men und mit anderem Ergebnis ab als in Italien. 
2.In deutschen, französischen, niederländischen Städ- 
ten ist Endergebnis des Umbildungsprozesses die durch kein besonderes Unterpfand 
gesicherte Rentenschuld in den beiden Formen der Leib- und der Zeitrente. 
Die Leibrente, durch kirchliche Anstalten aus der ältern naturalwirtschaftlichen 
Prekarie ausgebildet, wird von den Städten rezipiert und nach den Bedürfnissen der 
Käufer sowohl wie nach den Interessen der städtischen Finanzverwaltungen gemodelt. 
Den Bedürfnissen der Käufer wird Rechnung getragen, indem die Stadt neben einfachen 
Leibrenten auch solche auf zwei oder mehrere verbundene Leben verkauft; nach Ableben 
eines der Leibzüchter besteht der Anspruch auf weitern Bezug der Rente, in ihrem ur- 
sprünglichen oder auch entsprechend gekürzten Betrage, fort bis zum Tode des Ueber- 
lebenden oder, des Letzten der Berechtigten. Einem besonders häufig empfundenen 
Bedürfnis kommt die Stadt entgegen durch Verkauf von Leibrenten, die nach dem Tode 
des ursprünglich Bezugsberechtigten auf eine dritte Person für deren Lebenszeit über- 
gehen sollen; sie gibt auf diese Weise die Möglichkeit, zugunsten von Kindern Leibrenten 
zu erwerben, die zu Lebzeiten der Eltern von diesen selbst bezogen werden sollen. Die 
im städtischen Finanzinteresse liegende Differenzierung des Rentenpreises nach dem 
Alter der Bezugsberechtigten hat sich meist nicht durchsetzen können, wohl aber 
häufig das Recht der Stadt, Leibrenten, bevor sie mit dem Tode der Leibzüchter er- 
/öschen, durch Rückzahlung des Kapitals abzulösen, und aus diesem Recht machten die 
Städte, wenn sie unter ungünstigen Umständen Leibrenten zu billig verkaufen mußten, 
nach Besserung der Verhältnisse häufigen Gebrauch. 
Wie die Leibrente auf die Prekarie, so weist die Ewigrente auf die naturalwirtschaft- 
liche Erbleihe zurück; durch Verbindung mit der Form des Verkaufes auf Wiederkauf 
wird sie zur ablösbaren, allerdings nur seitens des Schuldners kündbaren Wiederkaufs- 
ente, Diese Umbildung der Ewigrente zur ablösbaren Zeitrente war in der Gestaltung 
der städtischen Rentenschuldverhältnisse rasch vollzogen; entweder wird das Ablösungs- 
recht durch Vereinbarung mit dem Rentenkäufer ausdrücklich vorbehalten oder, und 
dies ist noch vor Ablauf des 13. Jhs. der weit häufigere Fall, der Grundsatz der Ablös- 
barkeit dringt generell in die Stadtrechte ein. An Stelle des mit dem Wesen des Renten- 
kaufes nicht vereinbaren Kündigungsrechtes erhält der Gläubiger mit fortschreitender 
Mobilisierung. der Rentenbriefe (Ordreklausel, Inhaberklausel) die Vorteile einer fort- 
gesetzt erleichterten Möglichkeit ihres Verkaufes. 
Das Verhältnis zwischen Leib- und Zeitrenten nahm je nach der Intensität und der 
Dauer des städtischen Kreditbedarfes und je nach den Schwankungen des Zinsfußes 
und dem wechselnden Geschmack der Käufer sehr verschiedene Gestalt an. In einzelnen 
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