ALLGEMEINE EINLEITUNG 11
stungsfähigkeit, ja die Zukunft der Gesellschaft selbst in Mitleiden-
schaft gezogen werden müsste. Diesem Gedanken entsprangen
die ersten Arbeiterschutzgesetze. Es handelte sich damals um
vorsichtige und eng begrenzte Versuche, die allein auf den Schutz
der Frauen und Kinder gegen. übermässige Inanspruchnahme hin-
zielten. Der Einfluss des liberalen Grundsatzes der Nichtein-
mischung und das Festhalten am Grundsatz des gleichen Rechts ist
aber noch so stark, dass man nirgends dem Gedanken einer beson-
deren Arbeitsgesetzgebung und einer besonderen Verantwort-
lichkeit des Arbeitgebers für Arbeitsunfälle nähertritt. Eine Aus-
nahme bilden hier nur einzelne Berufe, deren Arbeiter besonders
gefährdet sind (Seeleute und Bergarbeiter).
DAS EINGREIFEN DER: ÄRBEITGEBER
Angesichts der Untätigkeit, bzw. des ängstlichen Vorgehens
der öffentlichen Gewalt wurden von privater Seite die ersten
kühnen Schritte unternommen :
Die Arbeitgeber beginnen, in Erkenntnis der aus der trost-
losen Lage der Arbeiter entspringenden Gefahren, geleitet von
sinem sozialen Pflichtgefühl und dem Wunsche, sich eine stän-
dige, kräftige und treue Arbeiterschaft zu sichern, mit der Er-
richtung. von Wohltätigkeits- und Hilfsanstalten. So sieht das
Iritte Viertel des 19. Jahrhunderts zahlreiche Anstalten dieser
Art aufblühen : Ambulatorien, Krankenhäuser, Heilstätten, Hilfs-
and Rentenkassen. ;
Die von den Arbeitgebern errichteten Anstalten vermögen
jedoch die Unsicherheit der Lage des Arbeiters nicht vollkommen
zu beseitigen. Sie kommen vor allem nur einem Bruchteil der
Arbeiterschaft zugute. Ihre Grundlage, der einzelne Betrieb, ist
im allgemeinen nicht tragfähig genug, um eine ausreichende Dek-
kung der schweren. Arbeiterrisiken (Arbeitsunfall, lange Krankheit,
Arbeitsunfähigkeit, Alter) sicherzustellen. Die Anstalten kranken
an der Zersplitterung und an der Unvollständigkeit ihres Ausbaues.
Obendrein begegnen. sie häufig dem Misstrauen der Arbeiter und
dem Widerstand der sozialistischen Parteien, welche sich damals
'asch entwickelten.
Arbeiter und Gewerkschaften erblicken in der Freigebigkeit
der Arbeitgeber nur ein Mittel, das der Freizügigkeit des Ar-
beiters entgegenwirken und ihn. mit dem festen Bande eines mehr
scheinbaren als wirklich vorhandenen materiellen Interesses an