76 Zweiter Abschnitt. Der Ablauf der Konjunktur seit Gründung des Reiches.
Dollar von 4,20 Mark auf 280 Mark, also eine Entwertung von
1 zu 70 in etwa 8 Jahren, in der zweiten stieg der Dollar von,
280 Mark auf etwa 20000 Mark, also eine Entwertung von 1 zu 70
in knapp s/t Jahren. In der dritten Periode stieg der Dollar von etwa
20000 Mark auf 4,2 Billionen Mark, was eine Entwertung von 1 zu
200 Millionen in nur 7 Monaten bedeutet. Will man jede dieser drei
Phasen schlagwortartig charakterisieren, so kann man sagen: die erste
Phase umfaßte die Zeit, in der man noch an die Mark glaubte, die
zweite diejenige, in der man an der Mark zweifelte und die dritte
diejenige, in der man an der Mark verzweifelte 1 ).
In dieser letzten Periode zeigten sich nun deutliche Anzeichen
von Wirtschaftsstockungen in Deutschland, die auch freilich noch
mit manchen anderen Faktoren wie mit der Ruhrbesetzung und
der Einführung der Goldlöhne teilweise im Zusammenhang standen.
Auch der Umstand, daß immer mehr Teile der deutschen Wirtschaft
zur Goldmarkrechnung übergingen, mußte die sonst das Geschäfts
leben stimulierende Wirkung der Geldentwertung vermindern. Vor
allem vom August ab ergab sich im Zusammenhang damit eine Stei
gerung des Warenpreisniveaus im Inland, welche dahin wirksam war,
die Spannung zwischen dem inneren und dem äußeren Wert der
Mark immer mehr zu beseitigen. Das mußte an sich schon ungünstig
auf die Konjunktur wirken.
Schon von den Monaten Juli und August konnte Lansburgh
schreiben, daß der Verfall der Mark derartige Fortschritte gemacht
habe, daß jede ordnungsgemäße Wirtschaftsführung unmöglich wurde.
„Sogar der Selbstschutz des Rechnens in wertbeständigem Gelde
versagte. Denn selbst, wenn die in Goldmark oder Festmark kal
kulierten und fakturierten Preise bereits am nächsten Tage zur
Zahlung gelangten, hatte die Mark, die ja offiziell noch immer das
alleinige Zahlungsmittel bildete, bereits eine neue starke Entwer
tung erfahren. Eben erst vereinbarte Löhne hatten, wenn sie in die
Hand des Arbeiters gelangten, schon einen Teil und bei ihrer Nutz
barmachung auf dem Markt sogar den größeren Teil ihrer Kaufkraft
eingebüßt. Die Folge war im Groß- und Kleinverkehr ein Stillstand
der Geschäftstätigkeit, in der Landwirtschaft ein systematisches Zu
rückhalten der Lebensmittel, die dadurch eine weitere Teuerung
(von der Warenseite her) erfuhren, und in der Industrie eine wach
sende Erbitterung der Arbeiterschaft, die folgenschwere politische Er
eignisse auszulösen drohte 2 ).“
*) Über das Tempo der Markentwertung vgl. auch den Artikel „Der Sturz
der Mark“ in „Wirtschaft und Statistik“. Jahrg. 1923. S. 639.
8 ) Lansburgh, „Die schwere Not“ in der Bank. Jahrg. 1924. S. 524.