6
gefolgt sind, erhoben werden, gehören nach Wahl des Klägers
vor das Handelsgericht, in dessen Sprengel die geklagte Unter
nehmung ihren Sitz hat oder in welchem das Ereigniß einge
treten ist. Ueber dieselben ist summarisch zu verfahren und es
können mehrere Kläger Erbansprüche, welche in demselben Er
eigniß ihren Grund haben, iu derselben Klagschrift geltend
machen. § 4. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Kund
machung in Wirksamkeit". —
Dies Gesetz ist offenbar milder, als das deutsche Reichö-
gesetz, schon iu seinem § 1 durch die Beschränkung aufLoco-
motivbahnen, in § 2 durch die Befreiung von dem Ver
schulden dritter Personen. Diese letztere Befreiung ist in das
deutsche Gesetz nicht aufgenommen, immerhin steht aber dem
erkennenden Richter frei, unter „höherer Gewalt" auch das
Verschulden dritter Personen zu verstehen, sind letztere nur
nicht Angestellte oder Vertreter des Betriebs-Unternehmers.*)
8 2. Wer ein Bergwerk, einen Steinbruch, eine Gräberei
(Grube) oder eine Fabrik betreibt, haftet, wenn ein Bevoll
mächtigter oder ein Repräsentant oder eine zur Leitung oder
Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommene
Person durch ein Verschulden in Ausführung der Dienstver
richtungen den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen
herbeigeführt hat, für den dadurch entstandenen Schaden.
1. Auch dieser § 2 ist dem Regierungs - Entwürfe wörtlich
entnommen und im Ganzen deshalb den „Motiven" entspre
chend, wie sie hier folgen.
„Die Unglücksfälle im Bergbau sind, soweit eine Ver
schuldung dabei in Betracht kommen kann, meistens durch
Explosionen (schlagende Wetter), Bruch oder Zllsammenstnrz
des Grnbengebäudes, Wafferdurchbrüche, Sprengarbeiten und
Maschinen verursacht worden. Im Hinblick hierauf muß sich
zunächst die Frage aufdrängen, ob es zuläßig ist, den für die
Haftungspflicht der Unternehmer von Eisenbahnen aufgestellten
Grundsatz in gleichem Maaße ans den Bergbau anzuwenden.
Diese Frage läßt sich nicht unbedingt bejahen, weil zugegeben
werden muß, daß zwischen dem Betrieb der Eisenbahnen und
dem des Bergbaus in der hier fraglichen Beziehung sehr we
sentliche factische Verschiedenheiten bestehen."
„Man wird nicht zu weit gehen, wenn man annimmt,
daß bei dem dermaligen Stande der Technik und der großen
Menge von Hilfsmitteln und Erfahrungen erliste Unfälle im
Eisenbahnverkehr sich durch Sorgfalt im Betriebe in der Regel
vermeiden lassen. Die Unfälle im Bergbau dagegen sind oft-
rnals die Folge des Einwirkens von Elementen und Natur
kräften, welche sich auch der sorgfältigsten Controle entziehen.
Ferner hat im Bergbau die selbstständige Thätigkeit des
Arbeiters einen viel größeren Antheil am Betriebe, als bei den
Eisenbahnen, wo es vornehmlich darauf ankommen wird, daß
die dienstlichen Reglements und Anweisungen von den Ange-
stellten pünktlich befolgt werden. Beim Bergbau handelt es
sich nicht um den Schutz des Publikums, sondern um den Schutz
des Arbeiters gegen die Verschuldungen des Unternehmers sowie
der Bergwerksgcnossen, und namentlich gegen die der eigenen
*) Zur Literatur über die Haftpflicht der Eisenbahnen machen
wir aufmerksam auf:
H. A. Simon (übersetzt und bearbeitet von M. v. Weber). Die
Haftpflicht der Eisenbahnen oder das Recht in Bezug auf Unfälle und
Unregelmäßigkeiten beim Eisenbahnbetriebe in England. Weimar. 1868.
Vergi, hierüber: Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen.
3*#. 1868. @. 501.
Lehmann. Körperverletzungen und Tödtungen auf deutschen Eisen
bahnen. Erlangen. 1869.
Mitarbeiter selbst. Die Verantwortlichkeit des Werksbcsitzers
kann nicht füglich weiter ausgedehnt werden, als die Möglich
keit seiner Controle bei der Auswahl des zu verwendenden
Personals reicht, und diese wird bei der großen Zahl der im
Bergbau beschäftigten Arbeiter über letztere kaum zu führen
sein. Der Hauptgesichtspunkt aber, welcher einer strengeren
Haftungspflicht der Werkbesitzer entgegentritt und in den Ab
handlungen des Dr. H. Achenbach über diesen Gegenstand
mit Recht betont wird, ist der, daß jeder Bergmann in die
Arbeit mit dem vollen Bewußtsein der Gefahren eintritt, welche
aus der Mitarbeit zahlreicher Genossen ihm erwachsen können.
Er weiß, daß ein einziger Mitarbeiter durch unzeitiges Oeffnen
der Sicherheitslampe, durch Unvorsichtigkeit bei den Spreng
arbeiten oder bei der Anwendung der Maschinen u. s. w. die
Verstümmelung oder den Tod vieler Gefährten herbeiführen
kann. Für die daraus entspringenden Schäden kann der Werk-
besitzer nach Billigkeit nicht in Anspruch genommen werden,
seine Haftung wird sich auf das eigene Verschulden und das
jenige seiner Techniker und Officiante» beschränken müssen. Die
französische Praxis ist, trotz der weitgehenden Bestimmungen
des Code, in diesem Punkte schwankend gewesen, in England
dagegen haben Theorie und Praxis die Haftbarkeit des Werk
besitzers für die einem Arbeiter durch die Schuld eines Mit
arbeiters verursachten Schäden entschieden verneint. An diese
Auffassung von der Verantwortlichkeit des Wertbesitzers wird
sich die weitere Folgerung anknüpfen, daß im Schadensfälle
nicht, wie bei den Eisenbahnen, eine Verschuldung des Unter
nehmers ohne Weiteres präsumirt werden kann, der Beweis
der Verschuldung vielmehr von Demjenigen zu erbringen ist,
der sich auf dieselbe als den Grund seines Anspruches beruft."
Unter Hinweisung aus die wachsende Zahl von Uuglücks-
fällen auch im Fabrikbetriebe, auf die Ausdehnung der An
wendung der Dampfkraft, bestreiten die „Mot.", daß „schon
der Arbeitslohn eine Prämie für die Uebernahme der Gefahren
enthalte. Da der Arbeiter in Fabriken bezüglich der Sicherheit
seiner Person den Einrichtungen und Vorkehrungen des Unter
nehmers vertrauen und demselben oftmals willenlos sich über
lassen muß, so wird die Forderung nicht abzuweisen sein, daß
auch hier der Größe der Gefahr die Verantwortlichkeit des
Unternehmers entsprechen müsse. Eine Ersatzpflicht des letzteren
wird jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn die für den
Fabrikbetrieb erlassenen polizeilichen Vorschriften nicht eingehal
ten wurden und die vorgekommene Körperverletzung damit in
kausalem Zusammenhange stehen konnte. Dagegen wird die
Verschärfung der Haftbarkeit des Unternehmers nur so weit
reichen dürfen, daß er die Verschuldung seiner Angestellten zu
vertreten hat, nicht aber wird er für die widerrechtlichen Hand
lungen seiner Lohnarbeiter verantwortlich zu machen sein. Die
Gründe, welche diese Beschränkung beim Bergbau rechtfertigen,
treffen mehrentheils beim Fabrikbetriebe zu. Dem entsprechend,
wird es hinsichtlich der Bewcislast im Wesentlichen bei den
Regeln des gemeinen Rechts zu bewenden haben." —
2. Auf den § 2 näher eingehend, dehnen die „Mot." die
Haftpflicht sowohl auf die „verliehenen" als die kraft des
Grundeigenthums besessenen Bergwerke aus, wie solche
nach dem sächsischen Berggesetze vom 16. Juni 1868 im Kgr.
Sachsen und nach dem preuß. Gesetze vom 22. Februar 1869
in den vormals kursächsischen Landestheilen der Provinzen
Sachsen, Brandenburg und Schlesien bestehen. Das Wort
„Bergwerk" bezeichne hiernach „die Anwendbarkeit der Grund
sätze des Gesetzes ans alle Bergwerke ohne Ausnahme."
Nach dieser Ausdehnung sind jedenfalls auch die nach §
211 des Allg. Berggesetzes vom 24. Juni 1865 von dessen
Bestimmungen ausgenommeneu Eisenerze des Herzogthums