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II. Staatlicher Schutz der Unternehmer- und Arbeiterklasse.
von Abendkursen an eine Mittelschule empfehlen^). In kurzer Zeit wird sich auch ein
Tagesunterricht anschließen, da ein solcher schon für die gewöhnliche Fortbildungs
schule an allen großen Plätzen obligatorisch eingeführt ist. —
Heute uoch sieht man die Verbindung dieser Kurse mit einer Hochschule
als notwendige Voraussetzung an. Wo sich eine solche leicht ermöglichen läßt,
verdient sie selbstverständlich den Vorzug vor der Isolierung. Wo aber keine
Hochschule vorhanden ist, bildet dies kein Hindernis für die Errichtung der Kurse.
Im Gegenteil, eine Aufgabe der Handelshochschule und der Hochschulkurse, die noch
zu wenig erkannt wird, besteht, zumal Betrieb und Stoff, Lehrobjekt und Lehrzweck
notwendig wesentlich anders sind, als an den Universitäten, gerade darin, eine an
spornende Konkurrenz mit der traditionellen akademischen Unterrichtsmethode und der
neueren systematischen Auffassung ins Leben zu rufen. Handelshochschulen und -Kurse
sollen die Pfadfinder werden für eine dem Maschinenzeitalter gerecht werdende praktische
Nationalökonomie, für die Auffrischung in der Richtung der Beobachtung, Erfassung
und richtigen Deutung der neuesten Erscheinungen, sowie für die Popularisierung
der Beobachtnngsergebnisse. Schon vor Jahren hat dies Verfasser mit folgendem
ausgeführt: „Manche Männer auf dem Katheder kleben immer noch an der archäo
logischen Untersuchung z. B. über die Ideen der französischen Revolution oder gar
über die Einrichtung der Haus- und Bezirkswirtschaft früherer Jahrhunderte. Es ist
das schon an sich ein schiefer Standpunkt; denn die Ausdehnung der modernen
Transportmittel und Maschinen hat in wenigen Jahrzehnten das Angesicht der Erde
total verändert, eine Verschiebung in dem öffentlichen imb sogar in dem Familien
leben, in der Volks-, Produktiv-, Gewerbe-, Handels- und Bankkraft, eine Neuver
teilung der Welt und der politischen Gewalten in so wesentlicher Weise zustande ge
bracht, daß den aus früheren, ja aus den unmittelbar vorangegangenen Epochen
abgeleiteten Schlüssen nur wenig Beweiskraft für die neueste Konzentration und
Arbeitsteilung zukommt. In der Zeit der Expreßzüge gehört die Idee, wegen der
heute ein Autor verketzert werden mag, schon morgen zum alten Plunder." (Beilage
zur Allg. Ztg. von 1903, S. 546, und „Deutschland als Industriestaat", 1901, S. 7).
Endlich wird sich ans der Volkshochschulbewegung immer deutlicher ergeben,
daß die Errichtung dieser Kurse überhaupt zur modernen Ausrüstung einer jeden
Großstadt gehört. Von diesem Standpunkt aus ist es nunmehr geradezu eine Ehren
pflicht der deutschen Handelsstädte, welche bisher die Fürsorge für die höhere Vor
bildung dem Staate überlassen haben, auch für die Handelsmiffenschaft einzutreten. —
Ein großer Vorteil der Hochschulkurse besteht darin, daß sie in höherem Maße,
als eine selbständige Hochschule, sich den lokalen Erfordernissen anzupassen ver
mögen, ohne hiebei in einen Jnteressenwiderstreit oder in Konkurrenz mit schon be
stehenden Einrichtungen zu geraten.
Zwischen manchen Städten herrscht vorerst noch eine gewisse Rivalität wegen
der staatlichen Zuweisung von Handelshochschulen, so z. B. zwischen München, Nürn
berg und Würzburg, oder Darmstadt und Gießen, oder Karlsruhe und Mannheim,
9 Den Mittelschulen stehen neben ihrem Ziel der fachmännischen Berufsbildung für
die Allgemeinbildung nur wenig Mittel und Zeit zur Verfügung. Andererseits sind die all
gemeinen Fortbildungsschulen für die Lehrlinge, welche das Einjährigen-Examen abgelegt haben,
darauf angewiesen, Sonderkurse einzurichten. In diese Lücke können Hochschulkurse ergänzend eintreten'.